
© M. Thomas
Landeshauptstadt: „ fortsetzen, was er begann“
Abschied von Bob Bahra. Hunderte gaben dem Potsdamer DDR-Bürgerrechtler am Freitag in Bornstedt das letzte Geleit
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Viele sind da. Die Trauernden drängen sich in die Reihen, schon füllt sich der Rang und noch immer stehen sie Schlange vor dem Kondolenzbuch am Eingang zur Bornstedter Kirche. Oberbürgermeister Jann Jakobs zeigt seine Anteilnahme und auch Ulrike Poppe, die spät ins Amt berufene Stasiopferbeauftragte Brandenburgs. Da ist auch Hartmut Richter, der in einer Nacht des Jahres 1966 durch den Teltowkanal nach Westberlin schwamm. Und plötzlich sehen sich alte Freunde wieder; krachend schlagen sie sich in ehrlicher Freude auf die Schulter, was soll jetzt auch falsche Zurückhaltung, Bob Bahra hätte es gefallen. Das oberste Bleiglasfenster zeigt das Anlitz von Jesus Christus. Das Bildnis leuchtet farbenfroh auf, als die Frühlingssonne einen Etappensieg erringt in ihrem in diesem Jahr besonders harten Kampf gegen den Winter.
Bob Bahra. Am 25. Februar ist der Künstler und DDR-Bürgerrechtler gestorben. Mit 70 Jahren. Am Sonntag hat er noch um ein Abhängen des Wandbildes „Erben des Spartacus“ in der Stadt- und Landesbibliothek gerungen. Am Montag starb er. „Manchmal zerbricht eine Sehne mitten im Sprung“ ist der erste Satz, den Pfarrer Dietmar Linke sagt bei der Trauerfeier für den bärtigen Mann, der nicht aufhören konnte, sich einzusetzen für das, für das er sein Leben lang stand. Linke, ein asketisch wie nachdenklich wirkender Geistlicher mit weißem Haar, skizziert Bahras Leben und schnell wird klar: Da ist einer mitten hineingeworfen worden in den Wahnsinn des 20. Jahrhunderts. Geboren am 12. August 1942 in Berlin, Tod der Mutter 1944, Vater in russischer Gefangenschaft. Die Schwester des Vaters und ihr Mann adoptieren den Zweijährigen. „Meine Stiefeltern waren Spießer. Sie nannten sich Kommunisten“, gibt Linke eine Aussage Bahras wieder. „Eine breite Skala von Bestrafungen“ bereiten den Boden für Widerstand; Bücher und Kunst werden Bahras Trost. Nach einer Lehre vereitelt der Mauerbau ein Studium an der Hochschule der Künste in Westberlin; 1962 wird ihm ein Studium an der Fachhochschule für Gestaltung verwehrt. Als 1967 ein Freund in den Westen flüchtet, verurteilt ein Gericht Bahra zu 18 Monaten auf Bewährung – „wegen Nichtanzeige“. Gegen den Truppeneinmarsch in Prag 1968 demonstriert Bahra, eine Verurteilung zu drei Jahren Zuchthaus ist die Folge. Die Verhaftung seines Vaters ist das erste Bild, das Bahras Sohn Markus von seinem Vater in Erinnerung hat. Drei Monaten Einzelhaft folgen drei Monate Doppelzelle. Nach elf Monaten wird Bahra freigekauft, aber in die DDR entlassen. 1988 gründet er mit anderen die Umweltgruppe Argus und gestaltet die Ausstellung „Juden in Potsdam und der Mark Brandenburg“. Ab 2008 organisiert er den Potsdamer MauerVerlauf, 2012 verwirklicht er die Markierung für den ehemaligen Grenzverlauf auf der Glienicker Brücke. „Jetzt kommt es darauf an, dass andere fortsetzen, was er begann“, sagt Pfarrer Linke.
Dann spricht Sibylle Schönemann. Sie erinnert sich, wie Bahra mit Freunden in der Otto-Nagel-Straße an dem blauen Skoda Octavia rumbastelte. Was sie jetzt erst erfuhr: Auch Bahra hatte damals keine Fahrerlaubnis. „Unsere Freundschaft hat ganz unpolitisch begonnen.“ Sie sagt aber auch: „Bob war bei mir und hat mich durch den Potsdamer Sumpf geführt.“ Stolz habe er ihr gesagt: „Ich bin kein Opfer. Ich gehöre zu den Gewinnern der Geschichte.“
Auf Wunsch Bahras wird „Paradies“ von Jule Neigel gespielt: „Ich bin im Paradies. Keine Spur von Finsternis. Seele so schwerelos. Freiheit grenzenlos.“
Lang ist der Zug der Schwarzgekleideten, die Sohn Markus mit der Urne durch den verschneiten Friedhof zum Grab folgen. Längst haben nicht alle Abschied genommen, da setzt Schneefall ein, ein Sieg nun für den Winter. Guido Berg
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