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Landeshauptstadt: 1000 Euro teure Beleidigung

„Gottesdienststörer“ bezeichnete Bischof Huber und den Theologen Markus Bräuer als Massenmörder

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„Gottesdienststörer“ bezeichnete Bischof Huber und den Theologen Markus Bräuer als Massenmörder AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein Christian A. (29) – neben seinem Glaubensbruder Andreas R. als Berliner Gottesdienststörer inzwischen zu zweifelhafter Popularität gelangt – musste sich gestern wegen Hausfriedensbruchs sowie Beleidigung vor dem Potsdamer Amtsgericht verantworten. Der arbeitslose Maurer soll gemeinsam mit R. am 5. Oktober 2003 einen Erntedankgottesdienst der evangelischen Kirche in Groß Glienicke, der vom ZDF live übertragen werden sollte, als Forum seines Gedankenguts missbraucht haben. Laut Anklage bezeichnete der in der Hauptstadt Wohnende an diesem Morgen den Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, sowie dessen persönlichen Referenten, Markus Bräuer, als Massenmörder. Christian A. ließ während der Verhandlung nichts unversucht, auch Staatsanwaltschaft und Gericht von seinen Thesen zu überzeugen. „160 000 Kinder werden jährlich in Berlin und Brandenburg abgetrieben. Die evangelische Kirche unterstützt das mit ihren Schwangerschafts-Konfliktberatungsstellen“, führte der wegen einer Fußverletzung im Rollstuhl Erschienene aus, unterstützt von Andreas R., der Ende Februar am selben Ort zu einer Geldstrafe von 400 Euro verurteilt wurde. Diese Ansicht verbreitete Christian A. auch vor dem geplanten Gottesdienst, versicherte den versammelten Gläubigen, sie würden mit dem Zahlen der Kirchensteuer den Massenmord unterstützen. Ein von Markus Bräuer ausgesprochenes Hausverbot soll der Angeklagte negiert haben. „Die Kirchenbesucher haben mich allerdings recht unsanft ins Freie befördert“, beschwerte sich der Bibeltreue. „Eine über 80-Jährige hat mich sogar mit ihrem spitzen Schuh gepiekt. Wollen Sie mal sehen?“, fragte er, rollte sein Hosenbein hoch. Amtsrichterin Judith Janik wies den Angeklagten energisch in seine Schranken, hatte allerdings nicht lange Erfolg. „Einmal müssen auch Sie vor Ihren Schöpfer treten“, prophezeite Christian A. ihr und dem Vertreter der Anklage. Deshalb seien sie gut beraten, schon jetzt Buße zu tun. „Ich werde die Wahrheit vertreten, solange Odem in mir ist“, betonte er. „Wenn die Repräsentanten der evangelischen Kirche massenweise Kindstötungen befürworten, sind sie für mich Massenmörder.“ Ob er den Bischof und dessen Begleitung an dem bewussten Tag so tituliert habe, könne er heute allerdings nicht mehr sagen. Markus Bräuer hatte eine bessere Erinnerung an jenen Herbstvormittag. Während Andreas R. die Kirche nach Ausspruch des Hausverbots verlassen habe, sei der Angeklagte geblieben, bis ihm Gemeindemitglieder den Weg zur Tür wiesen. Draußen habe er Flugblättchen und CD-ROMs verteilt, die seine Thesen stützen, Bischof Huber, der an diesem Tag auf der Kanzel stehen sollte, und ihn des Massenmords bezichtigt, so der Zeuge. Erst die Polizei, die mittlerweile regelmäßig bei vom Fernsehen übertragenen Gottesdiensten präsent sei, habe für Ruhe gesorgt. „Wir werden nicht zusehen, wie Sie und Ihresgleichen die religiösen Gefühle der Menschen mit Füßen treten“, wetterte Staatsanwalt Peter Petersen und forderte eine Geldstrafe von 1000 Euro für den Querulanten. Der wollte Freispruch, „predigte“ mit Andreas R. vor der Urteilsverkündung derart lautstark auf dem Gerichtsflur, dass drei Wachtmeister zu Hilfe gerufen werden mussten. Zähneknirschend vernahm er das Urteil, das sich mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft deckte.

Gabriele Hohenstein

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