Von Henri Kramer: 180 Stunden
Der 22 Jahre alte Thomas F. muss nach einer Straftat soziale Arbeit leisten. Er hat sich das „Walhalla“ ausgesucht
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Thomas F. hat „großen Mist“ gebaut. Wegen Sachbeschädigung in einer Regionalbahn hat ihn das Amtsgericht in diesem Sommer zu 180 Arbeitsstunden verurteilt. Sein Bewährungshelfer hat ihm dafür das Varieté „Walhalla“ in der Dortustraße empfohlen. Da ist Thomas F. nun. „Ich helfe in der Küche aus, fege den Hof, mache die Hotelzimmer sauber, all solche Sachen“, sagt der 22 Jahre alte Potsdamer.
Das „Walhalla“ ist eine von 63 Einrichtungen in Potsdam, die solche Arbeiten anbieten. „Jugendliche können praktisch in allen Freizeiteinrichtungen der Stadt, aber auch bei freien Trägern wie etwa Sportvereinen, Kindertagesstätten und Schulen ihre Sozialstunden ableisten“, sagt Martina Schwonke vom zuständigen Oberlandesgericht Brandenburg. Ein Grundsatz sei, dass Sozialstunden weder Arbeitsplätze ersetzen dürfen noch dabei helfen, Jobs einzusparen. Die Beschäftigung führe dazu, dass Arbeit gemacht werde, die sonst liegen bleibe, so Schwonke – etwa die Pflege von Grünflächen oder einfaches Saubermachen.
Es sind neue Erfahrungen, die junge Menschen bei solchen Gelegenheiten machen. „Ich habe noch nie in einem Restaurant gearbeitet – und wenn viele Gäste da sind, ist das schon recht anstrengend“, sagt Thomas F. Er muss die zusätzlichen Arbeitsstunden mit seinem normalen Job als Maler verbinden. Das „Walhalla“ führt Buch darüber, ob er auch wirklich kommt und arbeitet. Und bis jetzt zeigt sich die Chefin des Hauses, Beate Fernengel, auch recht angetan von Thomas F.: „Er ist zuverlässig.“
Das ist nicht selbstverständlich. Bei etwa der Hälfte der jungen Menschen, die im „Walhalla“ ihre Sozialstunden ableisten, gäbe es erhebliche Defizite, so Fernengel. Andere Anbieter von Sozialstunden haben ähnliche Erfahrungen mit der jungen Klientel: Manche kommen nicht, manchen muss erst mühsam jeder einzelne Arbeitsschritt erklärt werden, manche stellen sich dumm an. Deswegen sei Betreuung besonders wichtig, sagt Jürgen Knape. Der Chef des Breitband e.V. hat in seinen Jugendklubs in der Waldstadt lange Zeit mit straffälligen Jugendlichen gearbeitet. Bis vor zwei Jahren. „Damals wurde eine Stelle gekürzt, deswegen hätte sich niemand mehr genug kümmern können“, sagt Knape. Der immense Aufwand zur Betreuung: Das ist beim Thema Sozialstunden oft zu hören. Jugendliche mit kriminellem Hintergrund sind nicht einfach und keine billigen Arbeitskräfte, heißt es unisono.
Und unklar ist auch, was solche Sozialstunden bewirken. Wie hoch oder tief die Rückfallquote nach solchen Sozialstunden ist, darüber gibt es laut Gerichtssprecherin Schwonke keine aktuelle Statistik. Zumindest aber Thomas F. will so schnell nichts mehr mit der Justiz zu tun haben. Die Sache ist ihm unangenehm, fürs Foto möchte er eine Sonnenbrille aufsetzen. Und nach bald 180 Stunden Arbeit ohne Lohn steht für ihn fest: „Noch einmal muss das wirklich nicht sein.“
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