Von Henri Kramer und Kay Grimmer: 27 Zentimer Schnee, aber kein Chaos
Wenige Unfälle / Neue Streusalz-Lieferung erwartet / Wetter-Archiv: Schneefälle wie zuletzt 1982/’83
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Potsdam hat am Wochenende so heftige Schneefälle erlebt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Zugleich ist das erwartete große Chaos ausgeblieben.
Das lag wohl auch daran, dass viele Potsdamer offensichtlich ihre Autos stehen ließen. Selbst auf den Hauptverkehrsstraßen fuhren das ganze Wochenende über nur wenige Fahrzeuge, die meisten betont langsam und vorsichtig vor jeder Ampel. Noch am Freitag hatte die Polizei insgesamt 35 Unfälle in der Landeshauptstadt registriert. Nun waren es am Wochenende 25 im gesamten Potsdamer Schutzbereich, zu dem auch Umlandgemeinden wie Teltow zählen. Die Zahl nannte gestern Abend ein Sprecher des Lagezentrums der Polizei. „Es sind wohl alle sehr vorsichtig gefahren“, hieß es.
Die Schneefälle hatten wie vorausgesagt in der Nacht zum Samstag begonnen. Dazu gab es besonders zu Beginn des Wochenendes heftige Winde mit Spitzengeschwindigkeiten bis zu 55 Kilometern pro Stunde – mit „7“ eine Windstärke, die Bäume schwanken ließ und das Gehen im Freien deutlich schwieriger machte.
Im Dauereinsatz gegen den Schnee waren rund 130 Mitarbeiter der Stadtentsorgung (Step) – jeweils in Zehn-Stunden-Schichten ab 2 Uhr nachts und ab 12 Uhr mittags. „Das war für alle schon sehr hart. Ich freue mich sehr über diese Einsatzbereitschaft“, sagte Step-Chef Enrico Munder gestern Abend den PNN. Seit 2004 leitet er das kommunale Unternehmen, doch so etwas wie diesen Winter „habe ich noch nicht erlebt“. Unter anderem musste die Polizei gestern abschnittsweise die Lange Brücke sperren, damit die Step mittels Radladern die Flocken-Massen abtransportieren konnte. „Es lag einfach zu viel Schnee“, begründete Munder die aufwendige Aktion.
Eine weitere Sorge musste sich Munder zu dieser Zeit kaum noch machen: Einen Streusalz-Engpass wird es in Potsdam voraussichtlich vorerst nicht geben. Im Lager befinden sich laut Munder noch rund 70 Tonnen Natriumchlorid. Mit dem Salz sollen Schnee und Eis zum Schmelzen gebracht werden, für durchschnittliche Wintertage werden bei der Step rund 25 Tonnen benötigt. „Morgen erhalten wir noch einmal 75 Tonnen, das hat uns die Spedition fest zugesagt“, sagte Munder. Zugleich zeigte er Verständnis für Beschwerden am Räumdienst – allerdings sei es bei solchen Schneemassen „unmöglich“, alles sofort zu räumen, so Munder. Im Winter vor einem Jahr hatte es nach einem Kälte-Einbruch mehrfach Kritik an der Step gegeben, da nur auf das bei extrem niedrigen Temperaturen ab minus acht Grad wirkungslose Streusalz gesetzt werde – und nicht auf aggressiveres Magnesiumschlorid .
Auch der öffentliche Nahverkehr hatte Probleme mit dem Schnee von Wintertief „Daisy“. Zwar sei der Regional- und S-Bahn-Verkehr ohne größere Störungen gelaufen, hieß es bei der Deutschen Bahn. Die „kleineren Verspätungen“ allerdings summierten sich am Samstagabend auf dem Potsdamer Hauptbahnhof vor allem bei der wichtigen Regionalexpresslinie 1 auf teilweise über 60 Minuten, die als S-Bahn-Ersatz eingesetzten Züge fielen teilweise ohne Ersatz aus. Kurz nach 20 Uhr brach der Bahnverkehr auf der Berliner Stadtbahn kurzzeitig völlig zusammen, auch die Züge im Potsdamer Hauptbahnhof steckten fest. „Versuchen sie es mit der S-Bahn, die Regionalzüge fahren vorerst nicht weiter, keiner weiß genaues“, hieß es von einem Bahn-Mitarbeiter.
Ideale Bedingungen erlebten dagegen Ski-Fahrer. Sie und andere nutzten die ungewöhnlichen Schneemengen – auch an ungewöhnlichen Orten wie im Schlosspark Sanssouci. Dort sind Wintersportaktivitäten laut Parkordnung eigentlich verboten, doch wurden selbst Snowboard-Fahrer beobachtet. Und der Maschinenteich war gestern voller Eisläufer.
Insgesamt maßen die Meteorologen des deutschen Wetterdienstes für Potsdam gestern Abend 27 Zentimeter Schnee. Laut den Aufzeichnungen der Säkularstation auf dem Telegrafenberg hat es soviel Schnee zuletzt im Winter von 1982/’83 gegeben. Andere ergiebige Schneejahre seitdem – etwa 1985/’86 oder 2000/’01 – kamen nie über 23 Zentimeter Schnee hinaus. Übrigens: An den offiziellen Potsdamer Schneerekord reichte das „Daisy“-Wochenende nicht heran. Im Winter 1970 wurden bis zu 70 Zentimeter Schnee gemessen – und die Decke mit dem frostigen Weiß bedeckte Potsdam 113 Tage lang ununterbrochen.
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