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Kann Kohlendioxid zum Schutz des Klimas im Untergrund gespeichert werden? In Ketzin wird das nun versucht

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2008 ist das Internationale Jahr der Erde, das den Nutzen der Geowissenschaften für eine nachhaltige Entwicklung deutlich machen soll. Die PNN nehmen dies zum Anlass, Projekte von Potsdamer Geoforschern vorzustellen.

Nahe der Kleinstadt Ketzin im Havelland wächst im Untergrund seit einer Woche eine beträchtliche Kohlendioxidblase. Jede Stunde nimmt sie um rund eine Tonne zu, doch die Ketziner merken davon nichts. Denn der poröse Sandstein, der sich nun langsam mit dem Treibhausgas füllt, liegt in einer Tiefe von 600 bis 800 Metern, nach oben abgedichtet von einer Tonsteinschicht. Ohne die nun regelmäßig am Ortsrand haltenden CO2-Tanklastwagen und die inmitten eines Rohrnetzes stehenden weißen Tanks würde wohl kaum jemand etwas von dem Experiment mitbekommen. Da fallen die ausländischen Gäste in den Ketziner Restaurants schon eher auf. Sie interessieren sich für das unter dem Namen CO2SINK international bekannt gewordene Pilotprojekt zur Verpressung von Kohlendioxid im Untergrund.

Das Deutsche GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam leitet den über 20 Millionen Euro teuren Großversuch, an dem insgesamt 18 wissenschaftliche Institute und Energieunternehmen aus neun Staaten beteiligt sind. „Wir wollen testen, wie sich das Kohlendioxid in den Gesteinsschichten verhält“, sagt Reinhard Hüttl, Vorstandschef des Helmholtz-Zentrums GFZ. Ist der Versuch erfolgreich, könnten in Zukunft möglicherweise große Mengen des Treibhausgases CO2 aus Kraftwerken im Untergrund gespeichert werden. „Das wäre ein großer Zeitgewinn für die Entwicklung und Einführung von CO2-armen Energietechnologien“, sagt Hüttl. Der Ausgang des Ketziner Experiments sei aber offen.

Hoch sensible Messgeräte halten die Wissenschaftler ständig über die Ausbreitung des Gases in der Sandsteinschicht, die chemischen Reaktionen und den Druck auf dem Laufenden. Die Messfühler befinden sich in zwei Bohrlöchern, die parallel zum eigentlichen Strang für das Verpressen des Gases angelegt wurden. Sollte Gas wider Erwarten unkontrolliert entweichen, lösen Apparaturen an der Einfüllstation sofort Alarm aus.

Bis 2004 diente der löchrige Ketziner Untergrund bereits als Speicher für Stadt- und Erdgas. „Der befand sich allerdings nur in einer Tiefe bis zu 300 Metern“, erklärte Projektleiter Professor Frank Schilling. „Wir gehen nun mehr als doppelt so tief.“ Ein ähnliches Versuchsprojekt betreibt Gaz de France zusammen mit dem Energiekonzern Vattenfall bei Salzwedel in Sachsen-Anhalt.

Das Kohlendioxid für das Experiment wird eigens von einem Gashersteller in Leuna bezogen. Insgesamt hat das GFZ 60 000 Tonnen CO2 geordert, die im Laufe des zweijährigen Projektes in die Erde gepumpt werden. Zum Vergleich: Allein vom Braunkohlekraftwerk „Schwarze Pumpe“ in der Lausitz werden jährlich zwölf Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft geblasen. Doch gibt es dort noch keine technischen Möglichkeiten, das beim Verfeuern der Kohle entstehende Treibhausgas abzutrennen und etwa nach Ketzin zu bringen. In der Lausitz entwickelt der Energiekonzern Vattenfall derzeit eine Pilotanlage zur Abscheidung von CO2 bei der Braunkohleverstromung. Kostenlos geht das nicht: Man rechnet damit, dass sich der Wirkungsgrad eines Kraftwerks dabei um 10 Prozent verringert.

Die sogenannte „Carbon Capture and Storage“-Technologie, kurz CCS, die die einzelnen Kettenglieder von der Abscheidung über den Transport bis zur Deponierung verbindet, sollen bei einem Erfolg der jetzt begonnenen Versuchsspeicherung bis zum Jahr 2020 anwendungsbereit sein. Vorausgesetzt die Politik schafft hierfür die rechtlichen Rahmenbedingungen. Die derzeit von der Europäischen Union erarbeiteten Richtlinien müssen in nationales Recht überführt werden. Damit einhergehende, oft langwierige Genehmigungsverfahren könnten jedoch zu einem Problem werden. „Wie schnell zum Beispiel bekommt man eine Pipeline genehmigt?“, fragt Frank Schilling mit Blick auf das erforderliche Leitungsnetz zwischen Kraftwerken und den künftigen Lagerstätten.

Umweltverbände bezweifeln, dass die CO2-Einlagerung hierzulande ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist. Die Geoforscher aber sehen darin eine Möglichkeit, den weltweit ansteigenden Kohleabbau klimaverträglich zu gestalten. „Jährlich gehen in China 60 neue Kohlekraftwerke ans Netz“, beschreibt Frank Schilling die globalen Dimensionen. „Selbst wenn nach optimistischen Prognosen der Anteil regenerativer Energien steigt, wird die Kohle immer noch 30 Prozent ausmachen.“ Entsprechend hoch sei das internationale Interesse an dem jetzt erprobten Verfahren. An vielen Orten auf der Welt, so Schilling, finden sich ähnliche geologische Bedingungen wie hier in Ketzin, auch in China und in den USA. Speicherplätze, die man 80 Jahre lang nutzen könnte – Zeit, um nach alternativen Energieressourcen forschen zu können.

Vorerst aber muss das Experiment im Ketziner Geolabor gelingen und Aufschluss darüber geben, welche hydraulischen, chemischen und biologischen Prozesse sich bei der CO2-Injektion in der Tiefe abspielen. „Wie sicher ist die Speicherung? Wie muss man eine Anlage für größere Speichermengen konzipieren? Und wie lässt sie sich überwachen?“, stellt Frank Schilling einige entscheidende Fragen. „Nach ersten Beobachtungen ist der Druck dort unten geringer als vermutet. Das Gas geht leichter ins Gestein hinein, als wir gedacht hatten“, berichtet der Projektleiter.

Seit Beginn des Versuchs am 30. Juni sind 244 Tonnen CO2 in den Untergrund gepumpt worden. Gestern war die erste Revision. Bislang läuft alles nach Plan. „Jetzt geht es an die technische Feinabstimmung“, sagt Frank Schilling. Die Messdaten werden offen kommuniziert, die laufenden Prozesse für alle Beteiligten transparent gestaltet.

Ketzins Bürgermeister Bernd Lück hält seine Stadt trotz des Gases im Untergrund für sicher. „Wir wurden über alle Schritte informiert und in die Planungen stets einbezogen“, sagt er. Zusammen mit der Windenergie- und der Biogasanlage sei die Stadt nun eine Vorzeigeort im Klimaschutz. „Fehlt nur die Fotovoltaik“, lacht er. „Aber daran arbeiten wir noch.“

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