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Homepage: Akademikerkinder im Vorteil
Bildungsforscher sehen Zusammenhang zwischen Schulnoten und der sozialen Herkunft der Schüler
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Gute schriftliche Leistungen bedeuten noch lange nicht, dass Schulkinder auch gute Noten erhalten. Der Bildungsforscher Professor Kai Maaz von der Universität Potsdam hat mit Kollegen aus Tübingen und Freiburg (Schweiz) nun einen deutlichen Zusammenhang zwischen Schulnoten und der sozialen Herkunft der Schüler festgestellt. In einer Studie kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass Schüler aus Elternhäusern einer niedrigeren Sozialschicht bei gleicher Leistung schlechter benotet werden als Kinder bessergestellter Eltern. Dies betreffe alle Altersklassen, erklärte Maaz gegenüber den PNN.
Auffällig sei auch, dass bei gleicher Leistung Mädchen besser bewertet würden als Jungen. Ein Migrationshintergrund spiele bei der Notenvergabe hingegen kaum eine Rolle. Maaz sieht das Ergebnis der Studie als Warnung an die Bildungspolitik. Der festgestellte Effekt dürfe nicht bagatellisiert werden: „Die unerwünschten Effekte der sozialen Herkunft beim Schulerfolg seien in Deutschland zu groß.“
Maaz unterscheidet in erster Linie zwischen der Herkunft aus Akademiker- und Arbeiterfamilien. Es habe sich gezeigt, dass ein Benotungsvorteil bei Akademikerkindern auch bei gleichen Leistungen nachweisbar ist. Der Effekt sei statistisch signifikant. Maaz betont zwar auch, dass die Herkunft nicht das entscheidende Merkmal ist. „Betrachtet man den gesamtem Bildungserfolg, ist der Einfluss der sozialen Herkunft aber insgesamt unerfreulich groß“, so Maaz. Dabei steht für die Bildungsforscher insbesondere der Übergang am Ende der Grundschule im Fokus. „Behauptungen, dieser Übergang sei in erster Line selektiv, zeichnen jedoch ein falsches Bild“, erklärt Maaz. „Das erklärungsmächtigste Merkmal für die Benotung, die Empfehlungsvergabe und den Übergang ist die schulische Leistung der Kinder.“
Der Potsdamer Bildungsforscher Kai Maaz hat die Untersuchung im Auftrag der Vodafone-Stiftung zusammen mit Ulrich Trautwein (Tübingen) und Franz Baeriswyl (Freiburg/Schweiz) vorgenommen. Ausgewertet wurden dafür deutsche und schweizer Daten mehrerer jüngerer Schulleistungsuntersuchungen in der vierten, sechsten und zwölften Klasse. Verglichen wurden unter anderem die Schulnoten mit den Ergebnissen eines standardisierten schriftlichen Leistungstests mit mathematisch-naturwissenschaftlichen und sprachlichen Aufgaben.
Durch eine Befragung der Lehrer haben die Bildungsforscher auch festgestellt, dass diese die soziale Herkunft für den Bildungserfolg für sehr wichtig erachten. „Inwiefern auch Vorurteile eine Rolle bei der Benotung spielen, können wir mit den vorliegenden Daten nicht untersuchen.“ Es sei aber falsch zu sagen, dass die Lehrer alleine Schuld an der verzerrten Notengebung sind. Die Bewertung von Schülern sei ein äußerst schwieriges Unterfangen.
Bildungsforscher Maaz will die Ergebnisse nicht pauschalisieren. Man dürfe den festgestellten Effekt auch nicht überinterpretieren. Es könnte nämlich auch sein, dass die Unterschiede nicht auf Ungerechtigkeit beruhen. Der Leistungsvergleich sei durch schriftliche Tests festgestellt worden. „Das könnte eine Erklärung sein, warum sich in der Endnote dann Unterschiede zeigen“, vermutet Maaz. Denn in die Benotung fließe nicht nur die schriftliche Leistung ein, sondern das Gesamtbild, die mündliche Leistung, die Mitarbeit und die Motivation. „Der festgestellte Effekt könnte darauf beruhen, dass die Akademiker-Kinder mehr mitarbeiten und motivierter sind.“ Sollten die Schüler dadurch besser benotet werden, wäre das völlig legitim. Die entscheidende Frage ist für Maaz, ob die unterschiedliche Benotung gerecht sei. Wenn sich in weiteren Untersuchungen Hinweise dafür finden würden, dass die Akademikerkinder im nicht-schriftlichen Bereich wesentlich besser abschneiden, wäre für ihn die festgestellte Verzerrung gerechtfertigt.
In der aktuellen Studie hätten sich zwar Unterschiede in der Gewissenhaftigkeit und Anstrengungsbereitschaft der Kinder gezeigt. „Aber dieser Unterschied erklärte nicht die Differenzen in den Bewertungen“, so Maaz. Beim Unterschied zwischen Jungen und Mädchen habe sich allerdings eindeutiger erwiesen, dass die Mädchen insgesamt besser abschneiden, auch weil sie sich stärker in den Unterricht einbringen würden. „Ihr Bonus ist teilweise darauf zurückzuführen, dass sie stärker motiviert sind.“ Dieser Effekt lasse sich nicht nur in der Grundschule nachweisen, sondern auch in der Gymnasialzeit. Sein Fazit: Bei der sozialen Herkunft lässt sich die ungleiche Benotung nicht durch Unterrichtsbeteiligung erklären, beim Geschlecht allerdings schon.
Aufgrund der Ergebnisse der Studie kommt Maaz zu der Einschätzung, dass sich in der Bewertung von Schülern etwas ändern muss, um Verzerrungen auszugleichen. „Meine Empfehlung wäre, Leistungsdifferenzen zwischen den verschiedenen Herkunftsgruppen durch gezielte Förderinstrumente zu egalisieren", sagte er. Dies müsse bereits in der Vorschulzeit ansetzen: „Dann wäre ein Großteil der Ungleichheit in unserem Bildungssystem beseitigt.“ Um den Übergangsprozess von der Grundschule auf die weiterführende Schule gerechter zu machen, empfiehlt Maaz nicht nur die Noten und Einschätzungen der Lehrkräfte, sondern auch Ergebnisse aus standardisierten Leistungstests in die Beurteilung einfließen zulassen. Das werde in der Schweiz teilweise bereits praktiziert. Dort zeige sich, dass dadurch Ungerechtigkeiten geringer ausfallen als bei uns.
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