Links und rechts der Langen Brücke: Allein gelassen

Jeder stirbt für sich allein. Im Idealfall aber in Anwesenheit seiner Liebsten und auf Wunsch auch mit dem Beistand eines professionellen Sterbebegleiters. Das ist in Potsdam bisher nur dort möglich, wo die häuslichen Rahmenbedingungen für ein Sterben in Würde bestehen. Für alle anderen sterbenskranken Potsdamer, die zu Hause nicht mehr gepflegt werden können, stehen die nächsten Hospize erst in Lehnin oder Brandenburg/Havel offen. Das bedeutet weite Anfahrtswege für die Angehörigen und kaum aufmunternde Spontanbesuche für die dem Tod Geweihten. Der Bedarf an einer stationären Sterbebegleitung in Potsdam ist immer noch groß, auch wenn das Land Brandenburg und die Krankenkassen den durch die bestehenden Hospize abgedeckt sehen. Sie verlassen sich auf die Berechnungen der Medizinischen Hochschule Hannover mit ihrer Maximalvorgabe von 83 Hospizbetten für Brandenburg. Zahlen, die das Zwischenmenschliche nicht ins Kalkül ziehen. Statistik kann auch so beeindrucken: Danach erkranken jährlich in der brandenburgischen Landeshauptstadt durchschnittlich 795 Menschen an Krebs, 380 sterben im Jahr an der Krankheit. Ein Markt, so makaber das klingt, den sich nun gleich zwei Institutionen in der Stadt unabhängig voneinander erschließen wollen. Es könnte ein Konkurrenzkampf um die würdige Sterbebegleitung entstehen, der der Sache allerdings alles andere als würdig ist. Glücklicherweise bringen die Beteiligten allesamt genügend Sensibilität mit, nun nicht ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Zuschlag für ein städtisches Hospiz anzuzetteln. Vielmehr gibt es Verhandlungsbereitschaft auf beiden Seiten, die hoffentlich schnell zu einer Einigung im Sinne von Todkranken und Strebenden und ihren Familien führt. Bisher jedenfalls wird den Betroffenen und ihren Angehörigen der wohl schwerste Gang im Leben nicht besonders erleichtert. Sie werden mit erfüllten Bedarfsberechnungen allein gelassen.

Nicola Klusemann