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Landeshauptstadt: Alles muss raus

Auch wenn es ihn laut Gesetz nicht mehr gibt – beim inoffiziellen Sommerschlussverkauf werden von den Händlern immer noch besondere Rabatte angeboten. Bis zu 70 Prozent Nachlass gibt es in der Brandenburger Straße

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Offiziell gibt es ihn seit neun Jahren nicht mehr, begonnen hat er am gestrigen Montag dennoch: Anlässlich des zweiwöchigen Sommerschlussverkaufs (SSV) werben noch mehr rote „Sale“-Schilder unter anderem in der Brandenburger Straße und locken die Flaneure in die Mode-Fachgeschäfte. Die Prozentzahlen, um die Preise teilweise reduziert wurden, sind im Vergleich zur Vorwoche noch ein bisschen größer geworden. Bis zu 70 Prozent sind es bei Karstadt in der Brandenburger Straße, von den umliegenden Schuh- und Kleidungsgeschäften haben einige mitgezogen. Obwohl inzwischen Prozentzeichen und tatsächliche Sonderangebote das ganze Jahr über die meisten Einkäufe begleiten, orientieren sich Händler und Shopping-Lustige immer noch an den Schlussverkaufs-Tagen, an denen die Saisonware in den Lagern Platz machen soll für neue Kollektionen.

Bis 2004 waren Rabattaktionen selten: Je zwei Wochen Winter- und Sommerschlussverkauf waren laut Gesetz einige der wenigen Möglichkeiten, um überhaupt Nachlässe zu geben. Händeringend hätten damals Händler nach Wegen gesucht, außerhalb der Schlussverkäufe Preise zu senken, erinnert sich Günter Päts, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. Dies war zum Beispiel bei Räumungsverkäufen und Wasserschäden möglich. Erst die Umsetzung europäischen Rechts lockerte die Rabatt-Handbremse. Bilder von Schnäppchenjägern, die sich vor der Ladenöffnung gegen Scheiben drücken und ins Geschäft stürzten, sobald es so weit war, sind seitdem seltener geworden – dafür hält der Preiskampf im Einzelhandel länger an.

Dennoch: Bei Karstadt drängten am Montagvormittag viele Neugierige durch die Türen. Auch beim Kaufhauskonzern haben die Schlussverkaufs-Wochen weiterhin Bedeutung, wenn auch nicht mehr so sehr wie früher, sagt eine Mitarbeiterin. Der Grund: Preisnachlässe gibt es inzwischen schon weit im Vorfeld. Auch im Stern-Center bieten Mode-Fachgeschäfte reduzierte Markenmode an. Die Resonanz und Nachfrage nach leichter Bekleidung und sommerlichen Schuhen sei im Center und in den Geschäften deutlich spürbar, teilte Center-Manager Stephan Raml mit.

Für Günter Päts vom Handelsverband bleibt es „der optimale Zeitpunkt, die Saisonware an den Kunden zu bringen“. Daran orientierten sich viele weiterhin, wenn auch nicht mehr explizit mit dem SSV geworben wird. Der „Alles muss raus“-Slogan der vergangenen Jahrzehnte ist weiträumig vom englischsprachigen „Sale“ (Schlussverkauf) verdrängt worden. Offenbar achten auch die Kunden noch auf den Termin. Der Verkauf sei spitzenmäßig, sagt Veronika Koch von Schuh-Baar. Beschleunigt hat sich dies natürlich durch neue Preisschilder, die am Montagmittag besonders die Touristen anziehen. Sogar Sommerstiefel gingen bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius über den Verkaufstresen – der Preis machte sie attraktiver, und schlechtes Wetter kommt bestimmt zurück.

„Der Termin wird wahrgenommen, von den Touristen mehr, von den Potsdamern eher weniger“, sagt Sandra Behm, Filialleiterin bei Betty Barclay, zum SSV. Touristen nehmen die Chance wahr, aber es gibt auch Stammkunden, die auf Schnäppchen warten. Jacken, Blazer – „das wird ausgesessen“. Bereits am vergangenen Samstag gab es schon Nachlässe, „ich weiß nicht, wie viele Jacken ich bei 30 Grad Celsius verkauft habe“, sagt sie. „Vier Wochen zu früh“ finde der SSV statt, sagt hingegen Hans-Joachim Block vom Geschäft „Stones by block“ angesichts des späten Sommerbeginns. Er hat schon vorher rund 2000 treue Kunden über seine Rabatte informiert. Er erwartet am dritten, vierten Tag des SSV mehr Besucher – ein Erfahrungswert.

Auf der Brandenburger Straße nutzen viele, bei denen sich die PNN umhörte, die Gelegenheit und verbanden einen anderen Termin mit der Schnäppchenjagd. Die vielen „Sale“-Schilder seien ihnen aufgefallen, sagte ein Potsdamer Ehepaar. Auch einige Urlauber schlugen zu – aber dass am Montag der inoffizielle Beginn des Sommerschlussverkaufes war, das war ihnen nicht bekannt.

Ingmar Höfgen

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