
© A. Klaer
Von Jana Haase: Altes Aids und neues Aids
20 Jahre Potsdamer Aidshilfe: Die Krankheit hat sich verändert, die Fragen sind geblieben
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In diesen 20 Jahren hat sich viel verändert. So viel, dass Sabine Kaschubowski und Hortense Lademann schon einen neuen Namen für das Thema gefunden haben, um das ihre tägliche Arbeit kreist. Von „neuem Aids“ sprechen die Sozialarbeiterinnen, wenn sie an die aktuelle Situation denken – und von „altem Aids“, wenn sie über die Anfangsjahre der Potsdamer Aidshilfe berichten. In wenigen Tagen feiert die Aidshilfe ihr 20-jähriges Bestehen mit einer Festwoche.
Als sie 1991 beim damaligen Bundesmodellprojekt „Mobiles Team Aids“ angefangen habe, bedeutete der positive HIV-Test noch das Todesurteil, erinnert sich Sabine Kaschubowski. Am Krankheitserreger, dem tödlichen HI-Virus, hat sich seitdem nichts geändert. Und trotzdem ist das „neue Aids“ für die Betroffenen eher mit einer schweren chronischen Krankheit zu vergleichen – jedenfalls, wenn es frühzeitig diagnostiziert und konsequent behandelt wird. Der entscheidende Wendepunkt war die Einführung der sogenannten „Kombinationstherapie“ Mitte der 1990er Jahre.
Die neuen Medikamente könnten zwar schwere Nebenwirkungen verursachen, räumt Sabine Kaschubowski ein. Sie verbesserten aber andererseits die Immunlage spürbar. „Für die Betroffenen ist dadurch der Blick in die Zukunft wieder erlaubt“, resümiert sie. Trotz HIV-Diagnose können sie heute oft weiter arbeiten, sei es in Teilzeit oder an einem angepassten Arbeitsplatz. Hortense Lademann hat ein weiteres Beispiel: Während man in den Anfangsjahren über Aidskranke mit Kinderwunsch nur den Kopf geschüttelt habe, sei Nachwuchs heute durchaus vertretbar. Die Infektionsrate von Kindern HIV-positiver Mütter liege bei unter zwei Prozent.
„Es gibt eine rasante Entwicklung im medizinischen Bereich“, sagt Lademann. Für die Mitarbeiter der Aidshilfe – neben den beiden Sozialarbeiterinnen gibt es eine dritte Projektstelle – bedeutet das nicht nur permanente Fortbildung. Es schlage sich auch in den vielen Präventionsangeboten und bei der Beratung nieder: So bietet die Aidshilfe seit 2010 die Möglichkeit zum anonymen Schnelltest in der Kastanienallee 27 an.
Die positive HIV-Diagnose ist für die Betroffenen aber nach wie vor ein „Schockerlebnis“, sagt Sabine Kaschubowski. Daran hat sich in 20 Jahren nichts geändert. Und deshalb, glaubt sie, wird die Aidshilfe auch in Zukunft wichtig bleiben: „Die Betroffenen brauchen die Unterstützung.“
Anfang der 1990er Jahre mussten die Aids-Aktivisten allerdings noch viel stärker als heute gegen Diskriminierung und Ausgrenzung kämpfen: „Es ging um Solidarität mit den Betroffenen“, erzählt Sabine Kaschubowski. Es waren die ersten Jahre, in denen überhaupt offen über Aids geredet wurde – zwar gab es in der DDR HIV-Fälle, doch davon erfuhr man höchstens, wenn Bekannte betroffen waren. Aber auch ganz praktische Fragen zum Umgang mit Aidskranken waren von Anfang an wichtig. Worauf muss ich achten, wenn ich die Bettwäsche eines Aidskranken wasche? Zum Beispiel.
Diese Unsicherheiten gibt es bis heute. Trotz des Internets, in dem sich jeder anonym informieren kann. „Da finden Jugendliche zwar 1000 Antworten, aber nicht die Antwort auf ihre Frage“, sagt Hortense Lademann. Deshalb bietet die Aidshilfe neben der Beratung am Telefon und in der Sprechstunde mittlerweile auch eine Online-Beratung an. Denn auch wenn die Sozialarbeiterinnen vom „alten“ und „neuen“ Aids reden: Die Fragen sind die alten geblieben.
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