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Diskussion über Strategie in Politik und Wirtschaft
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Diskussion über Strategie in Politik und Wirtschaft Was haben gutgekleidete Damen und Herren in dunklen Anzügen und schicken Kostümchen mit Ködern zu tun? Richtig, sie reden über „Public Affairs“. Auf Deutsch kann das heißen: Interessenorganisation, Politikmanagement und politische Kommunikation. Das in Potsdam gerade neu gegründete Deutsche Institut für Public Affairs (dipa) hatte letzte Woche dazu ins Alte Rathaus eingeladen. Das Thema: „Strategie in Politik und Wirtschaft“, sind Politik und Wirtschaft planbar? Was es mit den Ködern auf sich hat? Köder müssen dem Fisch schmecken und nicht dem Angler, denn welcher Fisch beißt in einen Köder, der ihm nicht schmeckt. Nun könnte man Leuten, die sich mit „Public Affairs“ beschäftigen, unterstellen, sie würden versuchen, Dinge schmackhaft zu machen – manch böse Zunge unterstellt dies sogar. Aber damit kann sie auch Unrecht haben. „Aus Scheiße kannst du nicht Bonbons machen“, das weiß auch Hans-Hermann Langguth, stellvertretender Regierungssprecher der Bundesregierung und stellvertretender Leiter des Presse- und Informationsamtes in Berlin. Neben Langguth saßen auf dem Podium: Dr. Alexander Gauland, seines Zeichens Herausgeber der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“, Prof. Dr. Beatrice Heuser vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr in Potsdam, der Politikberater Prof. Dr. Markus Karp und der Unternehmensberater Ulf Henning. Die Köder, in diesem Fall wurde von Angelwürmern gesprochen, hatte die illustre Gesellschaft einer ebenfalls auf dem Podium sitzenden Kapitänin (Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann) zu verdanken, die ihr Schiff – die Stadt Brandenburg/Havel – mit viel betriebswissenschaftlichem Know-How aus den Untiefen und Klippen heraus in ruhiges Fahrwasser zu lenken versucht. So zumindest drückte sie es in ihren eigenen Worten aus. Und das als ehemalige Bauunternehmerin. So viel zum Thema Strategie und politisches Management. Nun ernsthaft: obwohl die Diskussion immer wieder in eine nette Plauderei über den Patienten Deutschland abglitt, so wurde doch einiges über das eigentliche Thema gesagt. „Strategie ist die Kunst, Macht zu schaffen“, eröffnete Heuser die Strategiedebatte. Die Kunst des Feldherren sei Strategie. Diese Vorlage nahm Langguth dankbar an und verglich die „Standfestigkeit“ seines Chefs – Bundeskanzler Schröder – mit der eines Feldherren. Diese bringe Früchte, wenn erst mal erkennbar werde, dass das „Sammelsurium von Einzelmaßnahmen“ – Agenda 2010 – in der Summe einen „Geist repräsentiere“, der wohl als Strategie bezeichnet werden könne. Nun folgte die Kapitänin mit ihrem Schiff: Man müsse ein Ziel formulieren und dann darauf zusteuern. Alexander Gauland sah indes kein Schiff, er ruderte direkt auf die unbeliebten Reformen in Deutschland zu und nahm die Bundesregierung in Schutz: wäre die CDU an der Macht im Bund, hätte sie, seiner Meinung nach, ebenso schlechte Umfrageergebnisse. Der Grund? „Die Leute sehen nur, dass ihnen Geld aus der Tasche gezogen wird.“ Die Lösung? Mehr symbolische Politik. Wir seien schließlich immer noch eine „Volksgemeinschaft“, da müssten alle beitragen, auch Konzernlenker und Reiche. Also: Einführung von Vermögens- und Erbschaftssteuer – als Symbolpolitik. Das war Öl ins Feuer des Unternehmensberaters Henning. Die Unternehmen müssten ausschließlich auf ihren Ertrag achten, damit sie sich gegen die internationale Konkurrenz behaupten könnten. Damit wieder zurück zur Strategiedebatte: Man müsse klare Ziele formulieren – bis dahin war sich die Runde einig – und diese „gnadenlos“ umsetzen, ihnen alles andere unterzuordnen. Das deutsche Problem sei die Inkonsequenz. BWL-Professor Karp sprang Henning zur Seite: die Politik könne von der Wirtschaft lernen, „sinnvoll, effektiv und effizient“ zu arbeiten. Karp sprach von einer „Totalkonsequenz“. Bei Gauland weckte dieser Debattenteil sofort unliebsame Assoziationen: „Hart wie Kruppstahl“, das hätten wir schon einmal gehabt. Genau mit dieser Gnadenlosigkeit in der Wirtschaft habe er ein Problem. Das Fazit der Diskussion? Der Moderator, Dr. Marco Althaus vom Institut für Public Affairs, hatte bereits zu Anfang der Diskussion darauf verwiesen, dass das zu diskutierende Thema sehr „amorph“ sei. Man habe sich vorher keine Pläne für die Diskussion gemacht. Ein klares Ziel hatte Althaus jedoch formuliert: „Wir wollen Sie nicht langweilen.“ Das wurde erreicht, es war reichlich amüsant. Aber es zeigte sich (eine Bestätigung des Veranstaltungskonzepts): Diskussionen sind oft ebenso unplanbar wie Politik und Wirtschaft.
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