Neue Mitte in Potsdam: An der Piazza Alter Markt
Händler, Gastronomen und Touristen sind begeistert vom italienischen Flair an dem wiederentstehenden Platz in Potsdams Mitte. Doch es gibt noch einige Baustellen.
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„Man fühlt sich hier wie in Italien. Wie in Siena“, sagt Liane Kempka und blickt aus dem Fenster ihres Ladens auf den Alten Markt, wo das Landtagsschloss in der Frühsommersonne leuchtet. Vor einigen Monaten hat Liane Kempka im Erdgeschoss des wiederaufgebauten Palazzo Pompei ein Schmuckgeschäft eröffnet – als eine der ersten an dem wiederauferstehenden Platz in Potsdams Mitte. Wie die anderen Händler und Gastronomen, die sich hier nach und nach ansiedeln, ist Liane Kempka begeistert von der Lage, dem Flair, der historischen Architektur. Doch wie die anderen sieht auch sie noch einige Baustellen – im wahrsten wie im übertragenden Sinne.
Im wahrsten Sinne wird zwei Häuser neben dem Palazzo Pompei noch am Palast Barberini geklopft, gestemmt und gehämmert. Die prächtige Fassade steht schon wieder wie einst, jetzt ist der Innenausbau an der Reihe. Mitten auf dem Platz stehen deshalb noch Baucontainer und Handwerkerautos. Doch im Januar 2017 soll hier das Museum Barberini mit hochkarätigen, wechselnden Ausstellungen eröffnen. Und ein Café im Erdgeschoss.
Ein bisschen wie in Italien - das Piazza-Angebot könnte aber umfangreicher sein
Das ist auch nötig, findet Liane Kempka. Zwar gibt es schon das „Café Art“ im Potsdam Museum, aber eben nur das. „Die Leute wollen mitten auf dem Platz sitzen, hier ist Platz für mehrere Angebote“, sagt die Händlerin. Und noch eine Baustelle im übertragenden Sinne gibt es aus ihrer Sicht: Auf dem Platz fehlen Bänke – und Mülleimer. „Jeden Morgen sammele ich hier erstmal Papier ein.“ Aber eins will sie noch sagen, fügt Liane Kempka hinzu und kommt dafür noch mal extra aus ihrem Laden heraus. Ur-Potsdamerin sei sie, genauso wie ihr Mann. Die letzten Jahre sei sie nach Tegel gependelt, wo sie ihren Vorgänger-Laden hatte. Dass sie jetzt ihr „Fancy Crystal“ in Potsdam eröffnen konnte, und das auch noch am Alten Markt – „das ist einfach toll“.
Auch Isabel Kneller kann sich keine bessere Lage für ihr italienisches Restaurant vorstellen. Sie ist stellvertretende Chefin von L’Osteria am Otto-Braun-Platz, also am Beginn der Humboldtstraße. „Wir sind hier sehr gut sichtbar, die Abende laufen schon sehr gut.“ Die Gäste kommen aus Potsdam, aber auch aus Berlin, „zum Tagesausflug“, so Kneller. In letzter Zeit habe sie auch schon einige englischsprachige Touristengruppen im Laden gehabt. Mit den Nachbarn laufe es ebenfalls bestens – Bäckerei Steinecke und den Bugerladen Peter Pane meint sie.
Schlemmen hinterm Bauzaun: Händler beklagen sich über die Dauerbaustelle
Nur mittags könnten nach Knellers Geschmack noch ein paar mehr Gäste kommen. „Wir hatten auf den Landtag gehofft. Aber die gehen wohl lieber in ihre eigene Kantine.“ Vielleicht ändert sich das, wenn endlich die Baustelle am Ufer abgeschlossen ist und die Osteria-Terrasse mit der Panorama-Kantine des Landtags mithalten kann. Eigentlich sollte der breite Uferweg, über den momentan noch Bagger rollen, schon im Juli 2015 fertig sein. Doch seit die Potsdamer Osteria als Ableger einer Kette mit mittlerweile 50 Restaurants in ganz Deutschland im September eröffnet hat, können die Gäste nur vorne zur Langen Brücke hin oder aber am Havelufer hinterm Bauzaun sitzen. Dort ist es laut und staubig – zumindest tagsüber. Zuletzt wurde den Gastronomen versprochen, dass die Terrasse ab Ende Mai nutzbar ist. Aber Isabel Kneller bezweifelt auch das. „Wenn ich mich hier so umsehe, kann ich das kaum glauben.“ Jetzt muss sie weitermachen, der Lebensmittellieferant steht schon mit seiner Liste in der Tür.
Auf dem Weg zurück zum Alten Markt sind in der Humboldtstraße noch zwei weitere Läden zu sehen, die gerade entstehen. „Hier kommt ein Leguano rein“, sagt einer der Bauarbeiter vor der Humboldtstraße 1 und deutet auf das Schild, das schon vor dem Geschäft steht. Die Kette verkauft rücken- und gelenkschonende Schuhe mit „Barfußgefühl“ – diesen Freitag ist Eröffnung.
Und noch eins weiter, als direkter Nachbar von „Fancy Crystal“, zieht gerade Galerie Baake ein. Der Hauptsitz in der Mittelstraße soll erhalten bleiben, aber man will mal sehen, wie sich der Standort am Alten Markt so macht, ist zu erfahren. Schon am Wochenende soll eröffnet werden, mit einer bunten Mischung von Werken.
Manche Touristen können nicht glauben, dass die Gebäude am Alten Markt in Wahrheiten Neubauten sind
Und die Touristen? Ein älteres Ehepaar umrundet gerade die Barberini-Baustelle. Sandra und Emil Nikl fühlen sich fast ertappt, als sie erzählen, dass sie zwar aus dem nahen Berlin-Zehlendorf kommen, den Alten Markt aber noch nie gesehen haben. Schön finden sie die historischen Gebäude und können kaum glauben, dass es in Wahrheit Neubauten sind. Ungläubig erkundigen sie sich nach der Zukunft des „Schandflecks“ auf der anderen Platzseite – gemeint ist das Fachhochschulgebäude. Zufriedenes Nicken ob der Abrisspläne – auch wenn gegen selbige ja momentan ein Bürgerbegehren läuft.
Das norwegische Ehepaar im Rentenalter, das, bewaffnet mit einem Stadtplan, gerade von der Humboldtstraße auf den Platz kommt, weiß ebenfalls nicht, dass ein Großteil der Gebäude erst seit Kurzem steht. „War das nicht sehr teuer, die wieder aufzubauen?“, möchte die Frau wissen. Als Schandfleck will sie die FH nicht bezeichnen. Aber auch sie findet: „So richtig passt das Gebäude nicht hierher.“ Der DDR-Bau an der Piazza Alter Markt.
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