
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Anerzogener Geschmack
Spitzenkoch Johann Lafer versucht sich auf den „Geschmackstagen 2009“ als Ess-Lehrer
Stand:
Was für pubertäre Jung-Erwachsene Hannah Montana ist, war am gestrigen Montag für die Generation 50 plus Johann Lafer. Der Fernseh- und Spitzenkoch konnte sich vor Autogrammwünschen seiner älteren Fanschar kaum retten, als er auf dem Luisenplatz die „Geschmackstage 2009“ eröffnete. Dabei, so machte Lafer schnell deutlich, gilt sein Interesse durchaus der Jugend, denn „die müsse erst einmal lernen, was es heißt zu schmecken“.
Dieses Ziel hat sich Lafer für Potsdam und Brandenburg gesetzt, denn die Geschmackstage finden nicht nur in der Landeshauptstadt, sondern in der gesamten Mark statt. Rund 70 Partner aus Gastronomie, Landwirtschaft und von öffentlichen Einrichtungen nehmen an der brandenburgweiten Aktion bis zum 10. Oktober teil. Schwerpunkt, das machte Lafer zur Freude von Potsdams Jugend- und Gesundheitsbeigeordneter Elona Müller deutlich, seien Programme für Kinder aus Schulen und Kitas. „Die ganzen Geschmacksverstärker, Aromen und Essenzen in den Lebensmitteln haben nur dazu geführt, dass wir verlernt haben, richtig zu schmecken“, meinte Lafer. Das führe dazu, dass vielen eine Instant-Suppe aus Hühnerbrühwürfeln besser schmecke als das hausgemachte Pendant. „Geschmack ist nicht angeboren, der wird erlernt“, so der Koch-Fachmann, der am liebsten ein Schulfach Geschmack einführen würde. Deshalb setze er vor allem bei den Jüngsten an, sie zu sensibilisieren.
Für Potsdam hat Lafer für jeden der Geschmackstage, die bis zum 10. Oktober gehen, ein anderes Gericht konzipiert. So empfiehlt er für ein Essen im märkischen Herbst „Geschmortes Rind mit grünen Spätzle“ oder „Kartoffel-Quark-Küchlein mit Zimtäpfeln“. Wichtig für die Rezepte seien „regionale Zutaten, saisonale, natürliche Lebensmittel und auch die Bezahlbarkeit des Essens“ gewesen, so der Koch. Er wünschte sich, dass vor allem Großküchen sowie Schul- und Kitaversorger die Rezepte als Anstoß nutzen, künftig gesünder und natürlicher zu kochen.
Das wäre auch ganz im Sinne von der Gesundheitsbeigeordneten Elona Müller: „Es ist Blödsinn, zu behaupten, gesundes Essen schmecke nicht. Kinder müssen aber die Chance bekommen, das Schmecken zu lernen.“ Dazu gehöre auch, gemeinsam zu kochen und gemeinsam zu essen. „Das nützt der gesunden Ernährung und unterstützt auch das familiäre Zusammenleben.“
Doch allein: der Wunsch klingt gut, in der Realität benötigt es wohl noch mehr dieser Aktionen. Als es an das Verteilen der Kürbis-Orangen-Suppe ging – nach Lafers Rezept zubereitet von Koch-Azubis des Oberlin-Berufsbildungswerks – sammelten sich mehrheitlich jene mit jahrzehntelanger Ess-Erfahrung an den Kochtöpfen. Und ein Knirps, der die gelb-orangene, natürliche Köstlichkeit probiert hatte, verzog nur das Gesicht und forderte „lieber ’n Cheeseburger“. Kay Grimmer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: