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Landeshauptstadt: Anfeuern im Flüsterton

Lärm kennt keine Grundstücksgrenzen: Sportplatz-Anwohner streiten für ihr Recht auf Ruhe

Stand:

Groß Glienicke - Mit Rasseln und Tröten die eigene Fußballmannschaft beim Heimspiel unterstützen: Davon können die Fans von Rot-Weiß Groß Glienicke nur träumen. Denn jene lärmenden Zeugnisse ekstatischer Fußballbegeisterung sind auf dem Sportplatz mitten in Groß Glienicke tabu: Vuvuzelas, Rasseln, überhaupt alle „Lärminstrumente außer der Trillerpfeife des Schiedsrichters“ müssen hier schweigen. So will es das Verwaltungsgericht Potsdam.

Vom Sportplatz-Krach genervte Anwohner hatten 2007 die Justiz eingeschaltet. Vor den Verwaltungsgerichten klagen sie seitdem ihr Recht auf Ruhe ein. Nicht länger wollen sie den aus Fußballfreude gewebten Klangteppich ertragen. Im Sportverein schüttelt man darüber nur den Kopf: Die klagenden Anwohner hätten wohl vergessen, dass der Rasenplatz viel älter sei als die Wohnhäuser der Kläger. Schon vor über 60 Jahren habe man den Platz angelegt.

Schwarz-Weiß-Fotos im Vereinshaus zeugen von den Anfangsjahren der Sportanlage. Im Verein sagen sie, auf den Bildern könne doch jeder sehen, dass die Häuser der Kläger damals noch gar nicht existierten. Wer später in der Nähe des Sportplatzes sein Eigenheim errichtete, habe ja nun wissen müssen, dass Fußball auch etwas mit Lautstärke zu tun hat.

Das Wohnhaus einer der klagenden Familien entstand erst 1985. Allerdings, so sagen selbst Verantwortliche des Sportvereins, sei der Platz damals noch nicht so stark wie heute frequentiert gewesen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Potsdam konnten die Kläger jedoch nicht darauf vertrauen, dass der Sportplatzlärm niemals an Intensität zunehmen würde. Die Anwohner mögen zwar darauf gehofft haben. „Ein rechtlicher Abwehranspruch“ gegen den zunehmenden Sportplatzlärm lasse „sich daraus aber nicht ableiten“, schrieben die Richter den Häuslebauern ins Urteil.

„Aufgeschaukelt“ habe sich der ganze Streit um den Lärm erst, als 2006 neben dem großen Rasenplatz das sogenannte Kleinspielfeld errichtet wurde, sagt Oliver Schulte, Vereinsvorsitzender von Rot-Weiß. Dieses kleine eingezäunte Spielfeld mit rotem Belag, mehreren Toren und Baskettballkörben darf nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nur genutzt werden, wenn nicht zugleich Vereinssport auf dem großen Rasenplatz stattfindet. Zudem verfügten die Richter weitere zeitliche Einschränkungen für die Nutzung des Kleinspielfeldes. Dem Wunsch der klagenden Anwohner, auf dem gesamten Sportgelände nur noch den Schulsport zu erlauben, aber den Vereinssport und das Bolzen ganz zu verbieten, erteilte das Gericht allerdings eine klare Absage.

Vor fast zwei Jahren haben die Richter ihr Urteil gesprochen. Rechtskräftig ist es noch immer nicht. Denn die Anwohner prozessieren weiter. Sie halten daran fest, dass auf dem Platz nur Schulsport getrieben werden dürfe. Schließlich sei die Sportanlage allein diesem Zweck gewidmet. Die Vereinssportler sowie bolzende Kinder und Jugendliche hätten hier nichts zu suchen. Bei Rot-Weiß reibt man sich die Augen angesichts dieser Klagefreudigkeit. Schließlich hätten die Söhne zweier Klägerfamilien selbst hier Fußball gespielt – außerhalb der Schule. Einer der beiden sei sogar noch immer dabei. Doch an das Verbot der Rasseln und Tröten halte sich inzwischen eigentlich jeder, berichtet ein Platzordner. Als das Reglement neu war, habe er die Zuschauer noch hin und wieder darauf aufmerksam machen müssen. Mittlerweile scheint der größte Lärm bei den Spielen ohnehin von den Fußballern selbst auszugehen, wenn sie sich auf dem Platz Anweisungen und Aufmunterungen zurufen. Dazwischen schrillt immer wieder die Schiedsrichterpfeife. Die Zuschauer aber verfolgen die Punktspiele von Rot-Weiß verhältnismäßig ruhig. Freilich, wenn ein Tor fällt, schallt die Freude hinüber bis in die Nachbarschaft. Torjubel kennt keine Grundstücksgrenzen. „Den normalen Publikumslärm kann man nicht abschalten“, sagt Schulte.

In einem anderen Gerichtsverfahren um den Sportplatzlärm in Groß Glienicke hat sich die Stadt Potsdam mit den dortigen Klägern auf einen vorläufigen Modus Vivendi geeinigt: Bis zum endgültigen Abschluss des Rechtsstreits darf die Sportanlage, die vom Kommunalen Immobilienservice der Landeshauptstadt verwaltet wird, nur nach einem exakten Zeitplan genutzt werden: Tageszeiten, Wochentage, Nutzergruppen – alles ist fein säuberlich geregelt. Selbst Sommer- und Winterzeit haben Eingang in den Text der Vereinbarung gefunden.

Für Gerd Frohberg von Rot-Weiß Groß Glienicke ist dieses enge Zeitkorsett ein Ärgernis: „Das stresst die Leute.“ Außerdem verursache es Mehrkosten, da zwischen den beiden Sonntagsspielen der zwei Herren-Mannschaften des Vereins eine lange Pause liegen müsse. Laut Vereinschef Schulte benötige man allein deshalb an den Heimspielsonntagen zwei Schiedsrichter, statt normalerweise nur einen.

Das Verbot von „Lärminstrumenten“ kommentiert Frohberg mit Ironie: „Aber der Schiedsrichter darf pfeifen – das ist schon erstaunlich.“

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