Sport: Angriff auf der Eigermoräne
Anja Carlson aus Potsdam wurde Vierte der Berglauf-Langdistanz-WM
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Ein Marathonlauf immer bergan – was sich für viele nach Höllenqualen anhört, endete für Anja Carlson mit Glücksgefühlen. „Das war gigantisch“, sagte die Potsdamerin, die am Samstag im schweizerischen Interlaken nach 42,195 Kilometern Vierte der Berglauf-Langdistanz-Weltmeisterschaft wurde (PNN berichteten). Sie verpasste dabei nach 3:36:59 Stunden hinter Anita Hakenstad (Norwegen/ 3:23:05), Elena Kaledina (3:31:16) und Jeanna Malkova (beide Russland/ 3:36:43) Platz drei nur um 16 Sekunden und feierte ihren bislang größten internationalen Erfolg. „Vielleicht ärgere ich mich in einem halben oder in drei Jahren darüber, an Bronze vorbei geschrammt zu sein. Jetzt aber freue ich mich nur, denn die WM liefen viel besser als erwartet.“
Als Anja Carlson im Frühjahr an diese Langdistanz-WM innerhalb des „Jungfrau-Marathons“ mit über 4500 Teilnehmern aus 48 Ländern dachte, „da hoffte ich auf eine Top-10-Platzierung“, erinnert sich die 29-Jährige. „Als ich dann in der Startliste die prominenten Namen aus Australien, Großbritannien und Russland las, dachte ich: Unter die Top 15 zu kommen wäre toll. Nun aber lief alles perfekt.“
Die Strecke 1839 Meter hinauf zur Kleinen Scheidegg in 2061 Metern Höhe war auf den ersten 25 Kilometern relativ flach. „Man hatte da nur rund 300 Höhenmeter zu bewältigen und musste aufpassen, nicht zu schnell anzugehen und sich zu sehr zu verausgaben“, schilderte Anja Carlson ihr Rennen, bei dem sie immer noch eine Gipsmanschette am linken Handgelenk trug; Anfang Juli hatte sie sich auf dem Weg zur Potsdamer Uni bei einem Fahrradsturz einen Kahnbeinbruch zugezogen. „Als mir bei Kilometer 20 mein Vater Peter und mein Freund Lars zuriefen, dass ich Neunte bin, machte mir das Mut. Nach 26 Kilometern ging es dann an der so genannten Wand von Wengen 26 Serpentinen richtig hoch, 600 Höhenmetern auf vier Kilometern. Nach 30 Kilometern war ich Siebente, und im steilen Aufstieg der Eigermoräne habe ich noch einige Läuferinnen überholt, auch Lizzy Hawker, die Swiss-Alpine-Siegerin aus Großbritannien. Ich hatte immer gedacht, die könne ich nie schlagen. Im Ziel war ich dann nur noch glücklich.“ Auch Wolfgang Münzel, der Berglaufchef des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, lobte das bislang zweitbeste deutsche Resultat nach WM-Silber 2000 durch Birgit Sonntag-Unterberger.
„Nun muss ich mich erst einmal erholen“, gestand Anja Carlson, die derzeit an ihrer Dissertation über Ernährung im Leistungssportbereich schreibt und sich Ende September beim internationalen Hochfelln-Berglauf im oberbayrischen Bergen den Gesamtsieg im Salomon-Gore-Berglauf-Cup sichern will.
Zum Berglauf wechselte die einstige Marathonläuferin (Bestzeit 2:37 Minuten) vor einigen Jahren, „weil für mich nach vier Ermüdungsbrüchen dort durch den weicheren Boden die Verletzungsgefahr geringer ist.“ Und auch für ihren Verzicht auf einen Start bei den Berglauf-WM am kommenden Samstag im schweizerischen Saillon-Ovrannez hat sie eine Erklärung: „Da geht es steil bergauf und bergab, und ich bin keine gute Bergab-Läuferin. Beim Berg-Marathon müssen wir nur immer bergan laufen.“
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