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Landeshauptstadt: Angriff der Stromkabel-Diebe Metalle werden in Potsdam zum begehrten Gut

für Langfinger – vor allem Baufirmen leiden

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Wenn Bauarbeiter in Potsdam früh um 6 Uhr beginnen wollen, kann es ihnen passieren, dass auf der Baustelle ein ganzes Gerüst verschwunden ist. So am Mittwoch auf dem Gelände des Lustgartens. Bauarbeiter bemerkten morgens, dass ein zehn Meter hohes und rollbares Baugerüst aus Aluminium fehlte, das mit Vorhängeschloss und Stahlkette gesichert war. „Ein besonders dreister Diebstahl, der zwischen Dienstag 15.30 Uhr und Mittwoch acht Uhr passiert sein muss“, sagt Polizeisprecherin Doreen Matthes. Die Sicherheitskette schnitten die Diebe entzwei. „Wir gehen davon aus, dass mehrere Personen das Gerüst vor Ort auseinandergebaut und in einen oder mehrere Transporter geladen haben“, so Matthes. Die Schadenshöhe laut einem Mitarbeiter vor Ort: 1400 Euro.

Den Tätern geht es dabei nicht um das Gerüst, sondern um das Material: Metall, das sich verkaufen lässt, egal ob als Starkstromkabel oder Kupferrohr. Alles lässt sich zu Geld machen. 67 solcher Straftaten hat die Potsdamer Polizei dieses Jahr bisher erfasst, im gesamten vergangenen Jahr waren es 37, 2005 nur zwölf, so Polizeisprecherin Matthes. Auch die Schadenshöhe ist explodiert: Von 54 000 Euro in 2006 stieg die Summe auf bis jetzt rund 100 000 Euro.

Damit macht Potsdam mit einem Phänomen Bekanntschaft, dass bereits im gesamten Land Brandenburg existiert: der so genannte „Buntmetall-Klau“. 2006 entstanden so in Brandenburg Schäden in Höhe von 3,1 Millionen Euro bei knapp 1400 Delikten. „Da wird alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest ist“, sagt Toralf Reinhardt, Sprecher im Landeskriminalamt Brandenburg – und zählt auf: Heizungskörper oder Kabel in verlassenen Häusern oder geschlossenen Kitas, Leitungen von Bahnanlagen, aber vor allem eben Material auf Baustellen und Firmengeländen. Er sagt auch: „Potsdam ist aber noch keine Schwerpunktregion.“

Aber es gibt besondere Tage: Wie etwa den Mittwoch. Getroffen hat es da auch die Arbeiter einer Wriezener Baufirma aus dem Landkreis Märkisch-Oderland. Sie sanieren fünf Häuser an der Alten Brauerei in Alt Nowawes. Anders als ihren Kollegen am Lustgarten fehlte ihnen am Mittwochmorgen der Strom. „Wir hatten vier Starkstromkabel, die waren vom Hauptgenerator abgetrennt und mitgenommen worden“, sagt einer der Baustellenleiter vor Ort. Rund 140 Meter Kabel waren so verschwunden, etwa 150 Kilo schwer, dick wie der Arm eines Babys, mit schwarzem Gummi ummantelt, im Wert von mehreren tausend Euro. „An einigen Stellen haben sie es offenbar mit einer Axt zerteilt.“ Spuren seien keine zu sehen gewesen, die Nachbarn hätten nichts gehört. Den Schaden für das Material und die ausgefallene Arbeitszeit muss die Firma selbst tragen, die Versicherung zahlt nichts. „Auf einer Baustelle lässt sich nicht alles sichern und einen Pförtner kann sich niemand leisten“, so der verantwortliche Bauarbeiter.

Die Aufklärungsquote für Metalldiebstähle liegt bei 30 Prozent, die meisten gefassten Verdächtigen in Potsdam seien zwischen 18 und 25 Jahre alt, so Polizeisprecherin Matthes: „Sie sind meist zu zweit oder zu dritt und oft mit dem Fahrrad unterwegs.“ Aber auch Ausländer seien beteiligt: So wurde am 8. August in der Speicherstadt ein 38-jähriger Pole zusammen mit einem Komplizen und 20 Kilo Kupferdraht erwischt. Dies hätte – bei einem Preis pro Kilo zwischen zwei und fünf Euro, je nach Material und Qualität – bis zu 100 Euro Beute gebracht. Ein lukrativer Nebenverdienst für Kleinkriminelle. „Nach unseren Erkenntnissen wird entwendetes Buntmetall bei einer Vielzahl von Schrotthändlern in und um Potsdam verkauft – aber auch ins Ausland“, sagt Matthes. Auch Toralf Reinhardt vom LKA ist sich der Rolle hiesiger Schrotthändler sicher – will ihnen jedoch keine generelle Schuld geben: „Sie sind in der Masse verantwortungsvoll und lassen sich oft bescheinigen, dass die von ihnen angekauften Metalle ehrenhaft erworben worden sind.“ Mehr sei oft nicht möglich, da anders als bei Fahrrädern oder Autos nichts auf die Herkunft etwa eines Stromkabels hindeute, so Reinhardt. Allerdings gäbe es gegen einzelne Händler auch Ermittlungen wegen Hehlerei. Ob auch in Potsdam, lässt er offen – um die eigene Arbeit nicht zu gefährden.

Denn spektakuläre Fälle mit viel Diebesgut, das verkauft werden muss, gibt es immer wieder – auch in Potsdam. Die Baustelle mit dem größten „Metallklau“-Problem liegt in Golm Am Mühlberg, wo ein mehrgeschossiges Wirtschaftszentrum entsteht. Vier Diebstähle wurden dort im vergangenen Monat angezeigt. Zwei davon hat Andreas M. erlebt. Er ist Vorarbeiter einer bayrischen Elektromontage-Firma, die Stromkabel verlegt. Anfangs stahlen Diebe zwei zentnerschwere Kabelrollen-Boxen vom Dach herunter, im Wert von mehreren Tausend Euro. Weil die Versicherung in so einem Fall nichts zahlt, wurde ein Wachschutz eingesetzt – und schlief offenbar. Um den 28. Juli herum rissen Diebe bereits verlegte Kupferleitungen aus den Wänden und zerlegten sie in transportfähige Ein-Meter-Stücke, so Andreas M.: „Da war die Arbeit von drei Wochen futsch.“ Doch wenigstens zahle hier die Versicherung, „denn sonst können kleinere Firmen wirklich kaputt gehen.“

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