Landeshauptstadt: Angst um die Familie
Wie zwei in Potsdam lebende Japaner die drohende Atomkatastrophe in ihrer Heimat erleben
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Maiko Abe lebt seit Tagen in großer Sorge. Die 33-Jährige arbeitet als Gastwissenschaftlerin am Geoforschungszentrum (GFZ) und verfolgt die Nachrichten aus ihrer Heimat Japan mit doppelter Betroffenheit: Nicht nur, dass das Land, in dem sie aufwuchs, in Trümmern liegt – mit Ausnahme ihrer Eltern, die inzwischen im Süden der Insel leben, wohnen ihre Verwandten und vielen Freunde rund 70 Kilometer entfernt von Fukushima, dem Atomkraftwerk, an dem ein sogenannter GAU droht.
Angesichts dieser bedrohlichen Situation wirkt Maiko Abe noch gefasst, wenn sie über die Situation zu Hause berichtet. Täglich ruft sie in diesen Tagen früh morgens ihre Mutter an, in Japan ist es dann später Nachmittag. Der erste Anruf nach der kombinierten Katastrophe aus Erdbeben und Tsunami klang noch beruhigend: Den Verwandten gehe es gut, da sie im Landesinneren wohnen, habe das Wasser sie verschont. Auch das Erdbeben habe vergleichsweise wenig angerichtet: So sei einmal ein Kleiderschrank umgefallen, anderswo ging Geschirr kaputt, auch Risse an Häusern gab es. Aber es passierte laut Maiko Abe nichts, was nicht wieder zu reparieren gewesen wäre.
Doch dann mehrten sich die Nachrichten von der sich zuspitzenden Lage im Kraftwerk Fukushima. „Alle haben Angst vor dem Unglück, dass da kommen könnte“, sagt Maiko Abe. An eine Flucht in den Süden sei kaum zu denken – das Benzin sei knapp, wie auch Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs immer weniger würden. Auch Stromausfälle gehörten nun zum Leben nach der Katastrophe, berichtet Maiko Abe von ihren Verwandten.
Die Gruppe der in Potsdam lebenden Japaner ist nicht groß: 25 Menschen aus dem Land, in dem nun die Angst vor dem Strahlen-Tod umgeht, sind laut Stadtverwaltung in der Landeshauptstadt registriert. Maiko Abe arbeitet seit 2006 hier in Potsdam, hat hier auch ihren Doktortitel in Geophysik erworben. Nebenbei ist sie als Lehrerin für Japanisch tätig.
Zu den Japanern, die in Potsdam bekannter sind, gehört Yuki Nagasato – als Fußballerin bei Turbine Potsdam. Die japanische Nationalspieler war beim entscheidenden Turbine-Spiel am Sonntag , als die Fußballerinnen sich den Meistertitel sichern konnten, trotz der Ereignisse aufgelaufen. „Natürlich sind die Bilder aus meiner Heimat sehr bedrückend und erschreckend“, wird die 23-Jährige seit diesem Sonntag von ihrem Fußballverein auf dessen Internetseite zitiert. Sie habe jedoch inzwischen Kontakt zu ihrer Familie und ihren Freunden: „Es geht ihnen soweit gut.“ Sie habe sich mit ihrer Mutter bereits per Email ausgetauscht. Kurz nach der Katastrophe sei das Haus etwas nördlich von Tokio in der Stadt Atsugi zwar ohne Strom und Wasser gewesen. Doch „meine Familie ist in Sicherheit, das ist das Wichtigste“, so Yuki Nagasato am Sonntag – und auch ihre Freunde in Tokio hätten sich inzwischen gemeldet, doch auch hier liegt Fukushima 250 Kilometer entfernt. So lässt sich nur darüber spekulieren, wie die Fußballerin über die Meldungen der möglichen atomaren Katastrophe denkt. Ihr Verein schirmt die Sportlerin derzeit vor Medienanfragen ab: Interviews mit der Stürmerin seien derzeit nicht möglich, heißt es bei der Pressestelle von Turbine.
Ihre Meinung zur Atomkraft hat sich Maiko Abe schon gebildet. Sie sei schon immer skeptisch gegenüber dieser Technik gewesen – und gerade in Fukushima hätte es immer schon Probleme gegeben. „Doch die Atom-Lobby ist in Japan sehr stark“, sagt die Forscherin. Angesichts dessen zweifele sie auch an den offiziellen Verlautbarungen zu dem Unglück – zumal die Informationspolitik ihr sowieso nur sehr schleppend vorkomme. „In der Vergangenheit wurde in diesem Bereich schon oft gelogen.“ Doch glaubt Maiko Abe auch, dass ihr Volk angesichts der Katastrophe umdenken könnte, weg von der Kernenergie. „Was mich so ärgert: An einem Erdbeben oder Tsunami ist niemand schuld und alles lässt sich auch wieder aufbauen: Bei einem Atomunfall ist das ganz anders.“ H. Kramer
H. Kramer
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