Landeshauptstadt: Angst vor einem Bürokratie-Monster
Drohungen und Existenzangst: Händler und Gastronomen machen Stimmung gegen die angekündigte Tourismusabgabe. Erste Details der Pläne stehen fest
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Potsdamer Händler, Gastronomen und Unternehmer vieler Branchen laufen Sturm gegen die geplante Tourismusabgabe – von Gerichtsklagen, Protestaktionen und Existenzangst ist die Rede. Bei einer Diskussionsveranstaltung der Fraktion Potsdamer Demokraten im IHK-Gebäude an der Breiten Straße verabschiedeten etwa 50 Gewerbetreibende am Dienstagabend einen Appell an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), die Abgabe zu stoppen. Denn bis zu 15 000 Einzelhändler, Gastronomen, Hoteliers, Verlage und selbst Freiberufler würden mit der Abgabe unnötig belastet. Stattdessen solle Jakobs für einen Pflichteintritt für den Park Sanssouci eintreten.
Die Stadt will mit der Abgabe jährlich zwei Millionen Euro einnehmen. Davon soll eine Million Euro an die Schlösserstiftung zur Pflege ihrer Parks gehen. So soll ein Pflichteintritt für den Park Sanssouci vermieden werden (siehe Kasten). Spätestens Ende Juni muss die Satzung von den Stadtverordneten beschlossen sein, sonst will die Stiftung den Parkeintritt erheben. Bisher gilt eine Mehrheit aus SPD und Linke für die Abgabe als sicher.
Doch nun stehen erste Details zur Gestaltung der Abgabe fest. Wie Stadtsprecher Stefan Schulz am Mittwoch auf Anfrage sagte, falle der Anteil der Betroffenen, die die Abgabe zahlen müssen, deutlich geringer als die genannten 15 000 aus. Es werde unter anderem eine Bagatellgrenze geben, damit keine Centbeträge erhoben werden müssen. Ein Kriterium für die Höhe der Abgabe sei der Standort des Unternehmens. Dafür werde Potsdam in Zonen unterschiedlicher touristischer Bedeutung unterteilt: So sollen Betriebe in der Nähe des Parks Sanssouci mehr zahlen, die Waldstadt oder der Schlaatz dagegen als touristisch weniger relevant behandelt werden. Schulz betonte, die Satzung sei noch nicht fertig – daher könne er noch keine Angaben zur Höhe der Abgabe für einzelne Unternehmen machen. „Wir bitten eindringlich, den Satzungsentwurf abzuwarten.“
Widerstand regt sich dennoch. Die Kammern von Industrie und Handwerk haben die Pläne scharf kritisiert. Arndt Gilka-Bötzow, Kreischef des Hotel- und Gaststättenverbands und Betreiber des Cafés „Kleines Schloß“ am Park Babelsberg, sagte am Dienstagabend, die „Parkeintrittsvermeidungsabgabe“ sei für einige Unternehmen existenzbedrohend und stelle einen weiteren Wettbewerbsnachteil gegenüber Berlin dar. Er fürchte „die Geburt eines bürokratischen Monsters“. So plant die Stadt Kosten von 500 000 Euro für das Einziehen der Abgabe. Gerechter sei ein Parkeintritt für Touristen, mit dem die Schlösserstiftung ihre Finanzprobleme lösen könne.
Eine „wirtschaftliche Katastrophe“ für ihr Geschäft befürchtet Anke Stemmann vom Souvenirladen „Fritz & Theodor“ im Holländischen Viertel. Schon heute lebe sie wegen geringer Erlöse unter dem Existenzminimum. Viele Touristen würden von Bussen direkt bis zum Schloss Sanssouci gebracht, um Potsdam dann wieder zu verlassen – ohne einen Cent extra zu bezahlen: „Viele Besucher können ja gar nicht glauben, dass für den Park kein Eintritt erhoben wird.“ Doch zahlen müssten nun Händler wie sie.
Ähnliches berichtete Carolin Stabe vom Café Belmundo in der Jägerstraße: Zu ihren Kunden gehörten vor allem Potsdamer, etwa Mitarbeiter der nahen Stadtverwaltung – aber kaum Touristen. Eine zusätzliche Abgabe könne ihrem kleinen Geschäft „das Genick brechen“.
Egal wie und wie hoch: Widerspruchslos wollen die Unternehmer die Abgabe nicht hinnehmen. Der Möbelhändler Jens Freiberg von „Famos liegen & sitzen“ in der Dortustraße schlug vor, im Zuge einer Protestaktion die Geschäfte in der Innenstadt für einen Tag geschlossen zu halten. Auch Sammelklagen seien denkbar. Allerdings beurteilen selbst Gegner der Abgabe wie Gastronom Gilka-Bötzow die Chancen vor Gericht skeptisch: Bei einer Verhandlungsrunde mit der Stadt habe ein Jurist das Beispiel von Touristenabgaben in anderen Städten vorgestellt – und klargemacht, dass Gerichte bundesweit solche Abgaben genehmigt haben.
So werden nun methodische Fehler gesucht. Einen glaubt Wolfgang Cornelius von den Potsdamer Demokraten gefunden zu haben: So wolle die Stadt als Touristen pauschal all jene zählen, die nach Potsdam kommen. Damit würden auch Personen als Touristen gezählt, die bloß aus dem Umland ins Sterncenter einkaufen gehen. Damit stelle die Stadt den Handel mit einem jährlichen Umsatz von 350 Millionen Euro als größten Nutznießer des Tourismus dar – mit der Folge, dass Händler mit besonders hohen Abgaben rechnen müssten, warnte Cornelius, der auch der Händlergemeinschaft AG Innenstadt vorsitzt. Schulz sagte dazu, für Rückschlüsse aus der nicht fertigen Satzung sei es zu früh. Er gehe davon aus, dass die Abgabe rechtssicher gestaltet werde.
Für Kritik – selbst bei Befürwortern der Tourismusabgabe – sorgt auch die Verwendung des 500 000-Euro-Anteils, den die Stadt aus der Abgabe als allgemeine Einnahmen für ihren Haushalt eingeplant hat. Diese Summe müsse für die Verbesserung der touristischen Infrastruktur genutzt werden, forderte Linke-Kreischef Sascha Krämer. Er war am Dienstag der einzige anwesende Parkeintritt-Gegner aus der Stadtpolitik – SPD, Grüne und Stadtvertreter fehlten. Henri Kramer
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