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Potsdam: Anklage im Fall Educon zugelassen

Ein bisher beispielloser Betrugsfall um einen Potsdamer Bildungsträger könnte noch in diesem Jahr das Landgericht beschäftigen.

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Hunderte geprellte Schüler und Dozenten können möglicherweise noch in diesem Jahr auf juristische Genugtuung hoffen. Die Rede ist von der schon 2010 publik gewordenen Betrugsaffäre um den damals noch bundesweit aktiven Potsdamer Bildungsdienstler Educon. Ihn hatte die Staatsanwaltschaft Potsdam 2015 unter anderem wegen eines mutmaßlichen Millionenbetruges zu Lasten des Landes Brandenburg angeklagt, weil die Spitze des längst untergegangenen Unternehmens mutmaßlich Millionenzuschüsse für fiktive Schüler erschlichen haben soll. Nach fast zwei Jahren Prüfung hat das zuständige Landgericht nun einen Eröffnungsbeschluss für das Verfahren gefasst, wie eine Justizsprecherin den PNN auf Anfrage bestätigte.

Damit ist die Anklage für das Mammutverfahren nun zugelassen – allerdings hat die Staatsanwaltschaft nach PNN-Informationen einige inzwischen verjährte Nebenvorwürfe aus der Anklage streichen müssen. Zudem ist einer der zuvor noch drei Angeklagten aus der Educon-Spitze, Klaus B., inzwischen verstorben. Deshalb steht nun besonders die frühere Firmeninhaberin Carina H. im Fokus: Beschuldigt wird sie des mehrfachen gemeinschaftlichen Betrugs im besonders schweren Fall. Ebenso wird ihr – und einer weiteren früheren Prokuristin des Unternehmens – mehrfacher versuchter Betrug im schweren Fall vorgeworfen.

Der mutmaßliche Millionenbetrug mit erfundenen Schülerzahlen hatte vor sieben Jahren auch bundesweit Schlagzeilen gemacht. Die Affäre begann Ende April 2010 mit einer Hausdurchsuchung im Hauptgebäude des Bildungsträgers in der Berliner Straße. Mittels falscher Angaben sollen Gesellschaften der Educon mehr staatliche Zuschüsse als berechtigt erhalten haben, hieß es damals von den Ermittlern. Die Folge: Das Landesbildungsministerium entzog drei Berufsfachschulen in Potsdam und Cottbus die Genehmigung, stoppte die Zahlungen von damals rund 4500 Euro pro Schüler und Jahr – von 871 gemeldeten Schülern konnte Educon laut Ministerium damals nur 313 Personen nachweisen. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hatte über Jahre hinweg diese Vorwürfe untersucht und versucht, daraus eine gerichtsfeste Anklage zu formulieren. So sollen die Ermittlungsakten des Verfahrens einen kleinen Kellerraum füllen (PNN berichteten).

Auch die Landesregierung, speziell das Bildungsministerium, verfolgt das Verfahren aufmerksam. Schließlich versuchte das Land Brandenburg, die gezahlten Millionenbeträge für die mutmaßlich nicht vorhandenen Schüler wieder einzutreiben. Nach den verfügten Schulschließungen war das gesamte Unternehmen in Schieflage geraten. Auch staatlich nicht geförderte Educon-Schulen im gesamten Bundesgebiet stellten ihren Lehrbetrieb zum Teil über Nacht ein, das Unternehmen verschwand von der Bildfläche, auch die Internetpräsenz wurde gelöscht. Die PNN hatten über Jahre hinweg über den Fall berichtet, auch die frühere Inhaberin H. in London besucht, nachdem sie Deutschland verlassen hatte. Noch Jahre später meldeten sich Schüler und Ex-Dozenten, die von Educon bereits gezahltes Schulgeld, Zeugnisse, Löhne oder Schadensersatz verlangten, ihre Forderungen aber nicht mehr zustellen oder vollstrecken können.

Die ehemalige Educon-Firmeninhaberin bestreitet die Vorwürfe. Ihre früheren Anwälte hatten gar mit Schadensersatzklagen gegen das Land gedroht, weil ein florierendes Unternehmen wie Educon durch die Vorwürfe in den Ruin getrieben worden sei. Aktuelle Anfragen an den Anwalt der früheren Educon-Chefin blieben unbeantwortet. Wie berichtet hatte sie nach eigenen Angaben 2012 eine Privatinsolvenz in Großbritannien über Schulden von mehr als 30 Millionen Euro abgeschlossen – durchgeführt nach dem einfacheren britischen Insolvenzrecht. Die Ex-Chefin gab dabei auch die Millionenschulden beim Land an. Das hatte die damals 50-Jährige im Herbst 2012 auf Anfrage erklärt: „Sollte die Forderung gegen mich vollstreckt werden, dann läuft das ins Leere.“ Noch in diesem Jahr könnte sie vor Gericht stehen – laut Justizkreisen könnte der Prozess im September starten.

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