zum Hauptinhalt

Kolumne PYAnissimo: Äpfel, Birnen und flüchtige Friseure

Es ist schrecklich. Mein Friseur geht weg.

Stand:

Es ist schrecklich. Mein Friseur geht weg. Nach Hamburg. Ich konnte gerade noch einen letzten Termin ergattern. Der Friseur versuchte zu trösten. „Kannst mich ja in Hamburg besuchen. Vielleicht organisiert ihr ein Shuttle für alle, die mich vermissen?“ Schöne Idee, aber wo bleibt dabei die viel beschworene Regionalität? Ich kann schließlich nicht Brandenburger Kartoffeln kaufen und dann zum Friseur nach Hamburg – nee, das geht nicht.

Aber auch mit den heimischen Kartoffeln wird das immer schwieriger. Weil es in Brandenburg immer weniger ländliche Anbauflächen gibt, sagte mir ein Koch aus Babelsberg. Brandenburger Kartoffeln gibt’s immerhin noch auf dem Markt am Weberplatz. Beim Händler seines Vertrauens gibt es die Sorten, die gerade geerntet werden und die gut schmecken. Ich habe das am letzten Wochenende ausprobiert. Ich hatte Glück, der Kartoffelmann war da und empfahl Belana. Zu Hause habe ich nachgelesen, was es mit Belana auf sich hat: überwiegend ovale Knollen mit gelber Fleischfarbe, flachen Augen und glatter Farbe. Frühreif mit verhaltener Jugendentwicklung, stellt mittlere Bodenansprüche, braucht regelmäßig Wasser und ist dafür lange lagerfähig.

Ich dachte erst, es geht um den Brandenburger Menschenschlag, aber damit ist tatsächlich diese Kartoffel gemeint. Der Mann auf dem Markt sagte einfach: „Schmeckt gut.“ Das stimmte, und auch die Birnen von der Marktfrau schmeckten endlich mal, wie eine Birne schmecken muss, nämlich süß und saftig, der Härtegrad gerade richtig. Im Supermarkt kaufe ich schon lange keine mehr, weil sie meistens enttäuschen und in der Tonne landen. Und weil mir der Mumm fehlt, miserables Gemüse zu reklamieren, wie wir es eigentlich tun müssten. Alles andere, was wir kaufen und das sich dann als Mist entpuppt, bringen wir zurück. Aber geschmacklose Tomaten behalten wir, ersäufen sie in fetter Salatsoße und wähnen sie dadurch essbar.

„Nächsten Samstag bin ich noch mal da, aber dann ist Schluss mit den Birnen“, sagte die Birnenfrau zum Abschied. Vielleicht ist sowieso bald Schluss mit all dem Obst, Äpfel, Birnen, Kartoffeln, die hier einfach so in offenen Körben unter freiem Himmel feilgeboten werden, ohne Strichcode und Plastikfolie. Ohne genormte Größe und Farbe, ohne genormten Geschmack. „Wenn TTIP kommt, bin ich weg“, sagte ein Verkäufer auf dem Bassinplatz-Markt. Er habe, wie andere auch, ja nicht mal genug Geld für ein Bio-Zertifikat. Er verkauft, was der Hof hergibt. Eigener Anbau, eigene Ernte, Eigenverantwortung. „Wer weiß, ob wir das dann noch dürfen“, sagt er. Von der Landwirtschaft leben geht ja jetzt schon nicht, er ist von Haus aus Informatiker und gibt Kurse an der Volkshochschule.

Und jetzt ist auch noch mein Friseur weg, bei dem ich mich ausheulen konnte. Oder einfach nur still im Sessel hing, während er ohne zu sprechen mir die Haare machte. Wir waren ein gutes Team. Ein guter Friseur ist so wichtig wie ein guter Zahnarzt und ein guter Computerfachmann. Wo ich so einen finde, wenn ich mal einen brauche, weiß ich ja jetzt.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })