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Landeshauptstadt: „Arg diskriminierend“

Behindertenbeirat: Kritik an Rufbus-Regelung

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Waldstadt – Potsdams Rollstuhlfahrer müssen weiter um ihre Mitnahme in öffentlichen Bussen und Trams fürchten. Auf der gestrigen Sitzung des Behindertenbeirates betonte Martin Weis, Geschäftsführer des Verkehrsbetriebs Potsdam (ViP), dass die bestehende Rufbus-Regelung Ende Januar ausläuft. Gleichzeitig kündigte er an, dass auch in Trams die Mitnahme von Rollstuhlfahrern „in überschaubarer Zeit“ an die EU-Richtlinie angepasst werden wird.

Die EU-Richtlinie, die seit 2005 in Deutschland umgesetzt wird, hatte im vergangenen Jahr in Potsdam für Stress gesorgt: Denn die Vip-Busse verfügen nur über je einen Rollstuhlplatz, der den geltenden Sicherheitsanforderungen genügt. Die ViP-Busfahrer haben deshalb seit Herbst 2007 nur noch einen Rollstuhl oder Kinderwagen pro Bus mitgenommen, was für die Betroffenen zum Teil zu erheblichen Wartezeiten führte. Auf Proteste hatte das kommunale Nahverkehrsunternehmen Ende November mit der Einführung der Rufbusse reagiert. Diese Kleinbusse, die von Busfahrern bei Bedarf angefordert werden, fahren montags bis samstags von 6 bis 20 Uhr. Weis bezifferte die Mehrkosten dafür gestern auf 20 000 Euro pro Monat. Der ViP habe das Angebot für Dezember und Januar finanziert. An einer Lösung ab Februar werde jetzt mit der Stadt gearbeitet, so Weis. Betroffen sind die 1546 „außergewöhnlich gehbehinderten“ Potsdamer, die nach Angaben des Behindertenbeauftragten in der Stadt leben.

Betroffene kritisierten die Rufbusse gestern allerdings: „Warum nicht sieben Tage pro Woche?“, fragte Jan Krech, Azubi am Berufsbildungswerk des Oberlinhauses in der Steinstraße. Er empfinde die bestehende Regelung mit Zeitbeschränkung als „arg diskriminierend“. Rollstuhlfahrer seien von kulturellen Veranstaltungen wie Theater- oder Kinobesuchen ausgeschlossen, betonte Jürgen Becker, Mitglied des Behindertenbeirats. Dadurch sei der Antidiskriminierungsgedanke in Frage gestellt: „Man darf einem Rollstuhlfahrer nicht verbieten, am öffentlichen Leben teilzunehmen“, so Becker. Er regte an, den Rufbus auf telefonische Anmeldung fahren zu lassen, um Wartezeiten zu verkürzen. Hier sieht sich ViP-Chef Weis aber nicht in der Pflicht: „Das ist eine Frage, die an die Sozialbeigeordnete Frau Müller zu stellen ist“, sagte er und fügte hinzu: „Sie werden dieses Problem nicht mit den Mitteln des ÖPNV lösen können.“

Entspannen könnte sich die Lage, wenn die elf neuen Busse ausgeliefert werden: Denn die wurden auf Wunsch des ViP nachgerüstet und mit zwei Rolliplätzen ausgestattet, so Weis. Das koste pro Bus 10 000 Euro mehr. Die Busse sollen noch in der ersten Jahreshälfte nach Potsdam kommen. Wie viele Rollstuhlplätze der ViP in den Trams vorhalten will, ist dagegen unklar: „Bei den Straßenbahnen steht uns die Frage noch bevor“, sagte Weis gestern.Jana Haase

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