Von Henri Kramer: Atomkraftgegner trotzten Dauerregen
600 bis 700 Menschen gingen gestern gegen Kernkraft auf die Straße / Weitere Aktionen für Japan geplant
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Innenstadt - Trotz Dauerregens haben in der Potsdamer Innenstadt gestern 600 bis 700 Menschen gegen Atomkraft demonstriert. Nach Polizeiangaben verlief der Protestmarsch, der ab 18 Uhr vom Luisenplatz aus zum Nauener Tor, zum Platz der Einheit und von dort wieder zum Ausgangspunkt führte, durchweg friedlich. Bei der Schlusskundgebung dankte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) allen Teilnehmern für ihr Kommen „bei diesem Wetter“. Das sei ein „wichtiges Zeichen“ angesichts der Ereignisse in Japan, die ihn mit „Entsetzen“ erfüllen würden. Jakobs forderte die Bundesregierung auf, ein verbindliches Datum für einen schnellen Atomausstieg zu nennen - das Beispiel Japan zeige, dass Kernenergie „nicht beherrschbar ist“.
Zu der Demonstration hatten Anti-Atom-Initiativen aus der Landeshauptstadt, Umweltverbände, die Studentenvertretung der Universität Potsdam, linke Gruppen und die Grünen aufgerufen. Von Beginn an mussten die Organisatoren, die eigentlich mit 1000 Teilnehmern gerechnet hatten, mit den Widrigkeiten des Wetters kämpfen. So hatte der eingesetzte Lautsprecherwagen massive technische Probleme, weswegen Redebeiträge ausfielen oder verschoben werden mussten. So blieb es während des Protestzuges vor allem bei „Abschalten, Abschalten“-Rufen der Demonstranten.
Als Jakobs am Ende sprach, waren wegen des Dauerregens nur noch wenige Demonstranten übrig. Ihnen gegenüber erklärte das Stadtoberhaupt, der Kurswechsel der Bundesregierung bei ihrer Atompolitik erfolge mit „erstaunlicher Eile“. Die Abschaltung der sieben ältesten Atommeiler in Deutschland sei richtig - allerdings müsse das ein Aus „auf ewig“ sein. Jakobs rief die Demonstranten auf, in ihrer Forderungen nicht nachzulassen.
Für Potsdam sagte er, die Stadtwerke würden seit Herbst 2010 „nachweislich“ keinen Atomstrom mehr beziehen. „Das ist etwas, was andere uns nachmachen sollen“, so Jakobs weiter. Denn gegen Atomkraft könne auch ein „Verbraucherboykott“ helfen.
Als weiterer Redner forderte Axel Kruschat, Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt- und Naturschutz, angesichts des möglichen Ausstiegs aus der Kernenergie nicht die klimaschädliche Nutzung von Kohle als Ersatzenergieträger zu erwägen. Er wandte sich auch gegen die CCS-Technologie, bei der klimaschädliches Kohlendioxid in Ost-Brandenburg unterirdisch gespeichert werden soll. „Wir haben es satt, dass opportunistische Politiker uns etwas erzählen - Risikotechnologien und Risikopolitiker müssen abgewählt werden“, so Kruschat. Holger Zschoge vom Antikapitalistischen Bündnis Potsdam forderte ein konsequentes Vorgehen gegen die „Atom-Mafia“, die „in Kauf“ nehme, dass ganze Landstriche verstrahlt würden. Stromkonzerne müssten enteignet werden, so Zschoge.
Bereits am vergangenen Montag waren fast 300 Teilnehmer bei einer Mahnwache für die Opfer der dreifachen Katastrophen in Japan zusammen gekommen - für den nächsten Montag ist eine weitere Mahnwache am Platz der Einheit geplant. Für den heutigen Freitag lädt der Evangelische Kirchenkreis zu einem Gebet für die Katastrophenopfer in Japan ein. Sie findet um 12 Uhr in der Nikolaikirche statt. Ferner hat das Jugendzentrum „Lindenpark“ in der Stahnsdorfer Straße am Samstag ab 23 Uhr eine „Spendenboxparty“ organisiert. Weitere Veranstaltungen sind in der nächsten Woche geplant. (mit SCH)
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