
© Lutz Hannemann
Landeshauptstadt: Auch ohne Schlösser ganz schön
Touristen besuchen die Innenstadt mittlerweile öfter als die Welterbeschlösser und -parks
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Potsdams Schlösser und Gärten haben ihren Status als wichtigster Tourismusmagnet der Stadt offensichtlich verloren. Anstatt durch den Park Sanssouci zu wandeln oder sich Schloss Cecilienhof anzuschauen, streifen Besucher in Potsdam mittlerweile lieber durch die historische Innenstadt rund um die belebte Brandenburger Straße. Das zumindest hat eine aktuelle Befragung von insgesamt 800 Tages- und Übernachtungsgästen im Auftrag der Stadtverwaltung ergeben. Bei der Frage nach dem am häufigsten besuchenten Reiseziel der Stadt belegte die historische Innenstadt mit 75 Prozent den ersten Platz. Die Schlösser und Gärten landeten erstmals mit nur 52,6 Prozent auf Rang zwei. Bei der letzten Befragung vor sieben Jahren lagen beide Sehenswürdigkeiten noch gleich auf. Davor galten Sanssouci & Co. stets als unangefochtene Höhepunkte für einen Besuch in Potsdam.
Aus der Wachablösung bei der touristischen Wertschätzung ergibt sich aus Sicht der Stadtverwaltung auch eine neues Selbstverständnis. „Potsdam ist zwar immer noch die Stadt der Schlösser, aber mittlerweile auch eine echte Stadtdestination“, erklärte Wirtschaftsförderer Stefan Frerichs am Mittwoch. Dazu passe auch das Reiseverhalten. In der Regel würden sich die Besucher relativ kurzfristig für eine Reise nach Potsdam entscheiden, maximal werde ein bis sechs Monate vor Reiseantritt gebucht. Mehr als 52 Prozent hätten sogar weniger als vier Wochen vor ihrem Eintreffen eine Übernachtung reserviert. Dies sei auch bei anderen Städtereisezielen so, sagte Frerichs. Während der gemeinsame Sommerurlaub häufig langfristig geplant werde, entscheide man sich doch vergleichsweise spontan für den Besuch einer Stadt, so der Wirtschaftsförderer.
Befragt wurden die je 400 Tages- und Übernachtungsgäste das ganze vergangene Jahr über an ausgewählten Orten der Stadt. Beantwortet werden sollten knapp 30 Fragen, darunter viele, die auch schon bei vergangenen Erhebungen gestellt worden waren, aber auch einige neue auf die Marke Potsdam bezogene oder zur Nutzung von Smartphones und Apps.
Überraschendes brachte die Befragung auch bei der Herkunft der Gäste zutage. Demnach bilden die Berliner bei Weitem nicht die größte Gruppe bei den Tagesgästen. Je 10,3 Prozent kamen aus der Bundeshauptstadt, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. 2007 kamen noch mehr als 20 Prozent der Tagesgäste aus Berlin. Außerdem steht Potsdam vor allem bei den Hessen hoch im Kurs. Immerhin knapp 13 Prozent aller Übernachtungsgäste kamen von dort. Weitere 8,9 Prozent kamen aus Hamburg und 7,5 Prozent aus Sachsen.
Insgesamt zeigte sich Frerichs mit dem Ergebnis der Befragung sehr zufrieden: „Toursimus ist ein Mannschaftssport und das funktioniert.“ Potsdam gehöre auch gemessen an den Gästezahlen mittlerweile zu den Top 5 im Land. Der Bruttoumsatz der Branche betrage etwa eine Milliarde Euro pro Jahr, so der Wirtschaftsförderer. Erst vor wenigen Wochen wurden die neuesten Zahlen bekannt gegeben. Wie berichtet konnte im vergangenen Jahr nach dem Rekordergebnis von 2012 zum zweiten Mal in Folge die Millionengrenze geknackt werden. Wenn auch nur recht knapp: Exakt 1 003 250 Übernachtungen verzeichnete die offizielle Statistik der Stadtverwaltung für das vergangene Jahr. Im Friederisiko-Jahr waren es rund 30 000 mehr gewesen.
Salz in die Suppe streuten die Touristen der Stadt lediglich in punkto Shopping-Erlebnis. Aus Frerichs Sicht ist dieses aber ein wesentlicher Bestandteil eines gelungenen Städteurlaubs. Auf die Frage, ob man in Potsdam auch gut einkaufen könne, hatten immerhin 20,4 Prozent der Tagesgäste und 27,3 Prozent der Übernachtungsgäste mit „Nein“ geantwortet. Zwar könne man sich so nahe bei Berlin schlechterdings als „Shopping-Stadt“ anpreisen, doch zeige das Umfrageergebnis in jedem Fall Handlunsgbedarf auf, räumte Frerichs ein. „Definitiv entscheidend dafür sind veränderte Sonntagsöffnungszeiten.“ Zum einen müsste eine stadtteilbezogene Öffnung am Sonntag zugelassen werden, zum anderen der sogenannte touristische Warenkorb um Artikel wie Schmuck und Schuhe erweitert werden, forderte Frerichs. Die Kirchen und die Gewerkschaften bezeichnete er bei dem Thema als wichtigste Gegenspieler. Allerdings sei für ihn nach wie vor unverständlich, dass man im erzkatholischen Polen sonntags nahezu alles einkaufen könne, in Potsdam aber nicht.
Das Thema ist schon seit Jahren umstritten. Die Stadt und auch die Handelsverbände (siehe Interview) drängen auf mehr Sonntagsöffnungen, während Gewerkschaften, Kirchen sowie das SPD-geführte Brandenburger Arbeitsministerium dagegen sind. Besonders streng legte das Ministerium das Landesöffnungsgesetz in diesem Jahr aus: Potsdam wollte für 2014 insgesamt neun verkaufsoffene Sonntage erlauben, allerdings auf mehrere Zonen verteilt. 2013 hatte sich die Stadt mit dieser Logik durchgesetzt, 2014 machte das Ministerium aber nicht mehr mit. Stattdessen gibt es jetzt das Jahr über nur sechs verkaufsoffene Sonntage, auf das gesamte Stadtgebiet bezogen.
Zumindest für die Sonntagsausflüger wird Potsdam also auch in diesem Jahr keine Shopping-Stadt sein. Bleibt also mehr Zeit für Sanssouci, das Holländische Viertel oder auch das neue alte Stadtschloss. (mit wik)
UMFRAGERGEBNISSE
Wie wird angereist?
Bei der Anreise nach Potsdam setzen die Touristen weiterhin klar auf das Auto. Gut 49 Prozent der Tagesgäste und sogar 52,8 Prozent der Übernachtungsgäste kamen 2013 mit dem Pkw. An zweiter Stelle folgt die Bahn bzw. die S-Bahn mit 28,6 und 19,6 Prozent. Allerdings hat das Auto gegenüber 2007 vor allem zugunsten von Kleinbussen (+8,3 %) und zugunsten der Bahn (+4 %) verloren. Der Anteil großer Reisebusse ging ebenfalls leicht zurück.
Wer kommt?
Potsdam ist in erster Linie eine Stadt, die man sich mit Freunden oder dem Partner anschaut. Jeweils mehr als 140 der Befragten Tages- und Übernachtungsgäste gaben an, in einer der beiden Begleitungen zu reisen. Nur zwischen 40 und 50 Befragte beider Kategorien gaben an, als Familie mit Kindern unterwegs zu sein. Das sind mehr als 11 Prozent weniger als noch vor sieben Jahren. Allerdings reisen auch mit dem Partner 15 Prozent weniger.
Wie viel Geld bleibt hier?
Im Schnitt gaben Übernachtungsgäste 2013 pro Tag 69 Euro aus. Das sind 7 Euro mehr als noch im Jahr 2007. Im gesamten Urlaub waren es 2013 knapp 200 Euro. Die Tagesbesucher ließen im Schnitt 47 Euro in der Stadt, 8 Euro mehr als noch vor sieben Jahren. Immerhin sprachen sich jeweils rund 26 Prozent aller Befragten für einen obligatorischen Eintritt für den Park Sanssouci aus. Bei den Tagesgästen stieg die Zustimmung damit um 13 Prozent. (mat)
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