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Selbstschutz. Pflanzen produzieren Giftstoffe, um Schädlinge abzuwehren.

© dpa

Homepage: Auch Pflanzen können Krebs verursachen Ernährungswissenschaftler fahnden nach krebserregenden Stoffen in den Nahrungsmitteln

Das Jahr 2011 ist vom Bundesforschungsministerium zum Jahr der Gesundheitsforschung benannt worden. In den PNN stellen Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) aktuelle Ergebnisse aus dem Bereich Gesundheit und Ernährung vor.

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Das Jahr 2011 ist vom Bundesforschungsministerium zum Jahr der Gesundheitsforschung benannt worden. In den PNN stellen Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) aktuelle Ergebnisse aus dem Bereich Gesundheit und Ernährung vor.

Krebs ist eine Diagnose, die Betroffenen und Familienangehörigen Angst macht und einen hohen Leidensdruck erzeugt. Manchmal sind spezifische Ursachen erkennbar. So gibt es klare Verbindungen zwischen Rauchen bzw. UV-Bestrahlung und der Entstehung von Lungen- bzw. Hautkrebs. Oft aber bleibt die Ursache der Tumorbildung unklar.

Vielleicht deswegen sind über die Entstehung von Krebs viele Mythen im Umlauf. Zum Beispiel wurde die Entwicklung von Brustkrebs mit der Verwendung von Deodorants in Zusammenhang gebracht. Einerseits sollen Deodorants angeblich die Schweißdrüsen verstopfen, sodass sich Giftstoffe im Gewebe nahe der Brust sammeln können. Aus wissenschaftlicher Sicht spielen die Schweißdrüsen in den Achselhöhlen bei der Entgiftung des Körpers allerdings keine Rolle, auch nicht in der Brustregion. Als zweiter Grund für die Gefährlichkeit wird die Verwendung von Parabenen als Konservierungsmittel genannt. Es gibt aber keine Studie, die einen Zusammenhang zwischen der Anwendung parabenhaltiger Deodorants und Brustkrebs wissenschaftlich belegt.

Ein anderes hartnäckiges Gerücht betrifft die „Verseuchung“ von Obst und Gemüse mit synthetischen Giftstoffen, denen krebserregende Eigenschaften nachgesagt werden. Dabei wird nicht in Betracht gezogen, dass alle Pflanzen Giftstoffe produzieren, um sich gegen Pilze, Insekten und andere Lebewesen, die sich wie der Mensch von ihnen ernähren, zu schützen. Tausende dieser natürlichen Giftstoffe sind bekannt. Darunter befindet sich eine ganze Reihe von Substanzen, für die in Tierversuchen krebserregende Wirkung nachgewiesen wurde. Der Mensch nimmt täglich rund zehntausend Mal mehr natürliche Pestizide zu sich, als die Aufnahme an Rückständen synthetischer Pestizide beträgt. Man muss betonen, dass synthetische Pestizide nicht giftiger sind als die Stoffe, die die Pflanzen zu ihrer Abwehr selbst produzieren.

Leider halten sich Mythen über die Krebsentstehung in der Bevölkerung recht hartnäckig. Dem gegenüber stehen die klaren Erkenntnisse über krebserregende Faktoren, die in der Gesellschaft offensichtlich unterschätzt werden, etwa der Konsum von Zigaretten und Alkohol sowie Übergewicht und Bewegungsmangel. Daneben spielt die Ernährung eine große Rolle. Man schätzt, dass von einhundert Krebsfällen rund 20 Prozent durch die Ernährung verursacht werden. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass ein Mensch bis zu seinem 50. Lebensjahr etwa 50 000 Kilogramm an Nahrung zu sich genommen hat.

In der Abteilung Ernährungstoxikologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung arbeiten wir daran, bedeutsame krebserregende Substanzen in Nahrungsmitteln zu finden und ihr krebsförderndes Potenzial abzuschätzen. Lebertumoren können etwa durch den Verzehr von verschimmelten Lebensmitteln entstehen, wofür in tropischen Ländern insbesondere die sogenannten Aflatoxine verantwortlich sind. Andere krebserregende Stoffe bilden sich bei der Zubereitung von Speisen aufgrund der starken Hitzeeinwirkung, wie beispielsweise das Acrylamid, das in Pommes Frites und Kartoffelchips auftaucht, oder die heterozyklischen Amine, die beim Grillen und Braten von Fleisch und Wurst entstehen. Die meisten der krebserregenden Stoffe werden durch Stoffwechselvorgänge erst aktiviert. Der im Volksmund sogenannte „Entgiftungsstoffwechsel“, der aufgenommene Fremdstoffe abbaut oder ausscheidungsfähig macht, produziert in den Fällen der krebserregenden Stoffe reaktive Abbauprodukte, die mit dem Erbgut reagieren können.

Obwohl der Stoffwechsel sich zum großen Teil in Darm, Leber und Lunge vollzieht, können die reaktiven Zwischenstufen krebserregender Substanzen im ganzen Körper verteilt werden. Die Reaktion der DNA mit diesen reaktiven Substanzen kann eine dauerhafte Veränderung des Erbguts nach sich ziehen. Das kann zu einer krankhaften Veränderung einer neu gebildeten Zelle führen, was die Tumorbildung aus dieser einen Zelle ermöglicht.

Neben der Identifikation krebserregender Substanzen arbeiten die DIfE-Forscher auch an der Aufklärung der Stoffwechselprozesse, die an ihrer Aktivierung beteiligt sind. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen mit dazu beitragen, offene Fragen der Krebsforschung zu beantworten. Schon heute steht aber fest, dass jeder Mensch sein persönliches Erkrankungsrisiko gering halten kann, in dem er auf Rauchen verzichtet, Alkohol nicht oder nur in Maßen trinkt, Übergewicht vermeidet und sich ausreichend bewegt.

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Ernährungstoxikologie am DIfE. Sein Forschungsgebiet ist die metabolische Aktivierung von Nahrungsmittelkanzerogenen.

Bernhard Monien

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