Ihr Weg ist so gut wie vorgezeichnet. Kinder von Migranten- und Aussiedlerfamilien schlagen sich in der Schule oft mit mehr oder weniger gutem Deutsch durch und schaffen es, wenn überhaupt, nur bis zum Hauptschulabschluss. Es hat lange gedauert, bis Politiker und Bildungsträger auf diese Situation reagiert haben, aber langsam tut sich was im Bildungssystem: Die Mercator-Stiftung zum Beispiel hat zum letzten Schuljahr eine bundesweite Initiative in Gang gesetzt, die Kinder und Jugendliche mit Deutsch als Zweitsprache unterstützen will. In Kooperation mit regionalen Universitäten finanziert sie mit 180 000 Euro kostenlosen Nachhilfeunterricht für betroffene Schüler, der von Lehramtsstudenten gegeben wird.
„Es geht darum, die Sprachkenntnisse der Kinder und Jugendlichen und somit auch die Chancen für einen höheren Schulabschluss zu verbessern. Wodurch wiederum die Berufsaussichten steigen“, erklärt Prof. Dr. Agi Schründer-Lenzen vom Institut für Grundschulpädagogik der Universität Potsdam. Sie leitet das Projekt am Standort Potsdam. „Das Sprachproblem ist hier genauso aktuell wie in Berlin“, sagt die Dozentin. Auch wenn in Brandenburg viel weniger Migranten- und Aussiedlerfamilien leben. 2,5 bis 3,8 Prozent der Schüler habe Eltern, die aus aller Welt nach Brandenburg gezogen sind, aus arabischen Ländern, der Türkei oder Vietnam. Angesprochen werden mit dem Projekt Fünft- bis Zehntklässler, da gerade in diesen Jahrgängen die Weichen für den Schulabschluss gestellt werden.
In neun Schulen in Potsdam und Umland sind die Studenten seit diesem Schuljahr aktiv, zwei mal zwei Stunden in der Woche. In der Weidenhof-Grundschule zum Beispiel, wo im Durchschnitt fünf bis acht Migrantenkinder pro Klasse lernen – die Regel sind in Potsdam zwei bis drei Kinder. Im Leibnizgymnasium werden die Sprachenlerner gefördert, im Goethegymnasium und in der Lenné-Gesamtschule. Die Teilnahme ist freiwillig, die Resonanz der Schüler sehr unterschiedlich. Besonders gefragt sei Nachhilfe in Mathematik. „Das liegt an den Fachbegriffen und der allgemein sehr abstrakten Sprache“, vermutet die Dozentin. Viele Kinder würden schnell lernen, sich im Alltag zu verständigen. Sich einen spezifischeren Wortschatz anzueignen, sei schwieriger.
Das Gießkannenprinzip ist out. Die eigenverantwortlich arbeitenden Studenten gehen an die Schulen und fördern individuell. Zuerst die Sprachleistungsdiagnose, dann der auf den Schüler ausgerichtete Förderplan: Lesen oder Schreiben üben, das Hörverständnis verbessern, Grammatik lernen, Texte analysieren, mit dem Wörterbuch arbeiten, Karteikästen für schwierige Wörter anlegen oder sich einfach nur bei den Hausaufgaben helfen lassen. Das alles kann auf dem Stundenplan stehen – und wird spielerisch vermittelt. Das Projekt ist auf drei Jahre ausgelegt. Aber wenn die Netzwerke zwischen Schulen und Universität erst einmal geknüpft sind, hofft Schründer-Lenzen, würden die Chancen gut stehen, dass die Schüler weiter gefördert werden können. Marion Hartig
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