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Homepage: Auf der Suche nach der Parallelhistorie

Zur deutsch-deutschen Teilungsgeschichte

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Zur deutsch-deutschen Teilungsgeschichte Immer mehr Zeithistoriker suchen nach Jahren intensiver Forschung nach dem künftigen Stellenwert der Geschichte des geteilten Deutschlands. Wie lässt sich die doppelte deutsche Geschichte zwischen 1945 und 1989 miteinander in Beziehung setzen? In einer vom Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) initiierten Veranstaltungsreihe führte vergangenen Freitag ein breites Plenum die Debatte über die Probleme einer deutschen Gesellschaftsgeschichte nach 1945 fort. Wie schreibt man eine Geschichte zweier deutscher Staaten, die in ihrer Ausprägung gesellschaftlicher Strukturen unterschiedlicher kaum hätten sein können? Auf der einen Seite sieht man eine auf den Fundamenten der parlamentarischen Demokratie ruhende Bundesrepublik, die – integriert in das westliche Bündnis – einen erfolgreichen Weg aus der traumatischen Erfahrung des Nationalsozialismus wies. Auf der anderen Seite betrachtet man ein System, in der jegliche Strukturen einer freien Gesellschaft fehlten. Für Hans-Ulrich Wehler, Professor an der Universität Bielefeld und einer der renommiertesten Zeithistoriker, gestaltet sich aus dieser augenfälligen Diskrepanz für die Gesellschaftsgeschichte beider Systeme ein deutliches Kontrastprogramm. Trotz vieler gemeinsamer Bezüge, wie erstaunliche Kontinuitätsphänomene in beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften, seien die unterschiedlichen Ausprägungen in Wirtschaft, Kultur und Politik zu markant, als dass eine integrierte Geschichte von DDR und Bundesrepublik geschrieben werden könne. Wehlers klarer Entwurf eines gegenüberstellenden Vergleichs stieß vielfach auf Skepsis und Kritik. Zu eindimensional sei die Hervorhebung der Unterschiede, womit viele Nuancen des komplizierten Beziehungsgeflechts beider deutscher Staaten aus den Blick gerieten. Andere Ansätze, wie Christoph Kleßmanns Vorschlag einer „asymmetrisch verflochtenen Parallelgeschichte“ könnten hingegen viel schärfer Details ausleuchten und so zu einem umfassenderen Verständnis zweier deutscher Gesellschaften führen. Charles Maier, Professor an der Harvard University und zweiter Podiumsgast der Veranstaltung im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, sieht denn auch noch eine Reihe offener Fragen. Ein Rätsel bleibe für ihn nach wie vor das Phänomen der „bedingten Akzeptanz“, das diffuse Verhältnis zwischen Privatem und Öffentlichem im Staatssozialismus der DDR. Im Unterschied zu Wehler interessiere ihn weit mehr eine Geschichte dieser „Grauzonen“. Seine fragende Perspektive nach dem Stellenwert von Öffentlichkeit und Politik gründe sich nicht zuletzt auf die ernüchternde Erfahrung der aktuellen Situation in den USA, in der Grundwerte einer liberalen Gesellschaft plötzlich zur Disposition zu stehen scheinen. Eine Geschichte der Deutschen zu schreiben, wie Konrad Jarausch, Direktor des ZZF, betonte, bleibe die intellektuelle Herausforderung der kommenden Jahre. Es komme für die Historiker darauf an, unterschiedliche wie auch gemeinsame kulturelle Erfahrungen der Menschen beider widerstrebenden Systeme ernst zu nehmen. Carsten Dippel

Carsten Dippel

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