Landeshauptstadt: Auf der Trage zur Hinrichtung
In Potsdam wird Hans von Dohnanyis kaum gedacht / Ab 1941 in Sacrow zu Hause
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In Potsdam wird Hans von Dohnanyis kaum gedacht / Ab 1941 in Sacrow zu Hause Sechs Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944, die im KZ Sachsenhausen ermordet wurden, sind jetzt auf Initiative der Stiftung „Zivilcourage“ durch einen Gedenkstein geehrt worden. Die Enthüllung nahm der frühere Bundesminister und erste Bürgermeister von Hamburg Klaus von Dohnanyi vor, dessen Vater zu den Opfern zählt. Hans von Dohnanyi war am 6. April 1945 durch ein SS-Standgericht wegen Hoch- und Landesverrats zum Tode verurteilt und wahrscheinlich am 9. April erhängt worden. Schwer erkrankt und gelähmt, wurde er auf einer Trage zur Hinrichtungsstätte transportiert. In Potsdam, einem Zentrum des bürgerlichen und Offizierswiderstandes gegen Hitler, hat man Dohnanyis bisher kaum gedacht. In der Arbeit von Ines Reich „Potsdam und der 20. Juli 1944“ taucht sein Name nicht auf, im Katalogheft zu Harmut Knitters gleichnamiger Ausstellung wird er lediglich in der Opferliste genannt. Dies erscheint um so verwunderlicher, als Hans von Dohnanyi nicht nur zu den führenden Vertretern der Widerstandsbewegung gehörte (der ermittelnde Kommissar sprach sogar vom „eigentlichen geistigen Haupt“), sondern auch in Potsdam lebte. Der begabte junge Mann hatte nach dem Jurastudium schnell Karriere gemacht, wurde Büroleiter der Reichsjustizminister Joel und Gürtner und 1938 in Leipzig jüngster Reichsgerichtsrat aller Zeiten. Vergeblich versuchte er, rechtsstaatliche Prinzipien gegen die nationalsozialistische Willkür zu verteidigen In seinem Diensttagebuch erfasste er die Unrechtakte des Regimes. 1939 wurde Dohnaniy in das Amt Ausland/Abwehr berufen. Damit gewannen dessen Leiter Admiral Wilhelm Canaris und Oberst Hans Oster einen wichtigen Mitstreiter für ihre Umsturzpläne. So wurde er in die Vorbereitung von zwei Sprengstoffanschlägen auf Hitler einbezogen, die aber scheiterten. Zu diesem Zeitpunkt wohnte Hans von Dohnanyi mit seiner Frau Christine, einer Schwester Dietrich Bonhoeffers, und seinen drei Kindern Barbara, Klaus und Christoph bereits in Potsdam. Die gut dotierte Berufung in den Vorstand der Rheinisch-Westfälischen Boden-Credit-Bank hatte ihm ermöglicht, 1941 in Sacrow ein Haus am Hämphorn zu erwerben. Es bildete bis 1945 den Lebensmittelpunkt der Familie. Hans von Dohnanyi war allerdings bereits im April 1943 verhaftet worden. Zum Anlass wurde die finanzielle Unterstützung von ins Ausland geflüchteten Hitlergegnern aus einem geheimen Devisenfonds des Amtes Ausland/Abwehr genommen. Sogar während der Leidenszeit bis zu seiner Hinrichtung hat sich Dohnanyi viel mit dem Sacrower Haus beschäftigt, wie Briefstellen und eine eigenhändige Tuschzeichung des Anwesens aus dem Jahr 1944 deutlich machen. Auch seine Tochter Barbara Bayer-von Dohnanyi erinnerte sich gegenüber PNN an die Jahre in Potsdam, wo ihre Brüder das Victoria-Gymnasium besuchten. Für den Schulweg nutzten sie die von Sacrow verkehrende Fähre. Die Idylle nahm mit der Verhaftung des Vaters in seinem Berliner Büro ein jähes Ende. Anschließend wurde auch die Mutter in Sacrow festgenommen. Für die Dohnanyi-Tochter wurde es zum traumatischen Erlebnis, als sie an diesemTag aus der Schule zurückkam und das Haus leer fand. Besonders deutlich stehen ihr die Besuche bei ihrem inhaftierten Vater vor Augen, der im Mai 1944 von Berlin in das Seuchenlazarett der Wehrmacht nach Potsdam verlegt worden war. Er hatte sich, um seine Haftentlassung zu erzwingen, selbst mit Diptherie- und Scharlacherregern infiziert Als die Ermittlungen nach dem fehlgeschlagenen Hitler-Attentat vom 20. Juni 1944 weitere Hinweise auf die wichtige Rolle Dohnanyis bei den Staatsstreichvorbereitungen ergaben, wurde der teilweise gelähmte Mann im August aus Potsdam ins KZ Sachsenhausen gebracht, wo sich sein tragisches Schicksal erfüllte. Das Sacrower Haus blieb erhalten. In der DDR-Zeit wurde hier ein Kinderheim eingerichtet. Heute ist es Domizil einer Wohngruppe im Heimverbund „Eva Laube“ des Evangelischen Jugendhilfswerks, dass das Gebäude nach der deutschen Wiedervereinigung erworben hat. Weder am noch im Haus findet man jedoch eine Erinnerung an Hans von Dohnanyi. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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