Landeshauptstadt: Auf verschiedenen Seiten
Benedikt Meyer und Sebastian Walter sind heute beim Papst-Besuch in Berlin – einer steht Spalier, einer demonstriert dagegen
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Heute kommt Benedikt Meyer dem Papst ganz nah. Am Nachmittag wird der 19 Jahre alte Babelsberger einer von vielen Tausend jungen Katholiken sein, die im Berliner Olympiastadion ein Spalier für das Papamobil von Benedikt XVI. bilden und ihm zujubeln. „Gegen Mittag hole ich die Gewänder für die Ministranten unserer Pfarrjugend St. Antonius Babelsberg – und dann gehen wir zusammen los“, sagt Benedikt Meyer. Für ihn ist der Besuch des Papstes sehr wichtig, wie er sagt: „Allein durch die gesamte Berichterstattung im Vorfeld beschäftigt sich die vor allem atheistisch geprägte Gesellschaft wieder mit dem Thema Gott.“ Er selbst macht dies täglich und besucht jeden Sonntag Gottesdienste, wenn andere in seinem Alter noch ausschlafen.
Auch Sebastian Walter wird heute in Berlin sein. Der 21-Jährige aus Eiche besucht ab 16 Uhr zusammen mit Freunden und Bekannten die Protestdemonstration gegen Papst Benedikt, die am Potsdamer Platz beginnt. Der Lehramtsstudent an der Universität Potsdam, der sich politisch bei der Linken engagiert, kritisiert vor allem die geplante Rede des Kirchenoberhaupts im Bundestag. Der Grund für ihn: „Dieser Papst ist ein Fundamentalist und Anti-Demokrat.“ Solche Menschen dürften nicht in einem deutschen Parlament sprechen, ist er überzeugt.
Benedikt hat da ein anderes Bild über seinen Namensvetter an der Spitze des Vatikans. „Er hält die Gemeinschaft der Katholiken zusammen, ohne ihn würde sich die Kirche spalten.“ Auch die konservative Amtsführung des aktuellen Papstes ist für Benedikt Meyer kein Grund zur Kritik – im Gegenteil findet er es „gut, dass die Kirche dem Zeitgeist nicht folgt.“ Dazu sei die katholische Weltkirche mit mehr als einer Milliarde Gläubiger auch viel zu groß, um jede aktuelle Änderung der öffentlichen Meinung mitzugehen – zumal „nicht alles, was in Deutschland wichtig ist, auch in Südamerika ein Thema ist“, sagt Benedikt Meyer. Er hat gerade sein Abitur abgelegt und wird Ende September zu einem Freiwilligenjahr nach Afrika aufbrechen. „Auch diese karitative Seite des katholischen Glaubens wird durch den Besuch des Papstes gestärkt, weil eben Kirche allgemein in den Blickpunkt rückt“, betont Benedikt.
Christliche Hilfsprojekte kennt auch Sebastian Walter. Er hat selbst bereits mit einigen zusammengearbeitet. Seine Kritik am Papst will er daher auch nicht als Kritik an religiösen Menschen verstanden wissen: „Ich habe Respekt vor Katholiken und ihrem Glauben.“ Doch Benedikt XVI. wirft er vor, „menschenverachtend“ über Homosexuelle zu sprechen, „in dem er sie als unnatürlich darstellt“. Ebenso verletze die Ablehnung von Abtreibungen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Dazu stört ihn der „äußerst zurückhaltende“ Umgang des Papstes mit dem Mißbrauchsskandalen in seiner Kirche. „Der größte Feind der katholischen Religion ist der Papst selbst“, stellt Walter fest.
Benedikt Meyer sieht das anders – obwohl er durchaus zugibt, dass er sich ab und an einmal ärgert, dass seine Kirche auf Kritik an ihr „nicht eingeht“. Doch dies dürfe nicht das eigentlich Wichtige „verdecken“. Dazu gehöre für ihn beispielsweise die Versöhnungsbereitschaft. Daher verteidigt Benedikt Meyer auch die Entscheidung des Papstes, die Exkommunikation von vier Bischöfen der umstrittenen Piusbruderschaft aufzuheben, um einen Dialog mit der ultrakonservativen Gruppierung zu ermöglichen. „Das ist für mich ein Akt der christlichen Nächstenliebe“, sagt Benedikt. Für Sebastian Walter dagegen zählt vor allem, dass in den Reihen der Pius-Brüder Holocaust-Leugner sitzen. „Toleranz muss Grenzen haben.“
Dagegen wünscht sich Benedikt Meyer von den Kritikern mehr Toleranz. So finde er es schade, wenn die Kirchenkritiker der Botschaft des Papstes „nicht zuhören, sondern diese einfach boykottieren.“ Dazu sagt Sebastian Walter, er wisse, wofür der Papst stehe – er müsse dies alles nicht noch einmal hören.
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