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MEIN WENDEHerbst: Aufgeschnappt

JAHREMAUERFALLDer Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. An dieser Stelle erinnern sich in den Potsdamer Neuesten Nachrichten täglich Menschen in Potsdam an ihre Erlebnisse in dieser Zeit.

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JAHRE

MAUERFALL

Der Herbst 1989 ist als „Friedliche Revolution“ in die deutsche Geschichte eingegangen. An dieser Stelle erinnern sich in den Potsdamer Neuesten Nachrichten täglich Menschen in Potsdam an ihre Erlebnisse in dieser Zeit. Heute: Stefan Ritt. Der 47-jährige Friseur-Meister ist in Potsdam geboren, besitzt einen Laden am Luisenplatz und lebt mit seiner Familie in Bergholz-Rehbrücke.

Die Grenzer hatten Nachtsichtgeräte, sie haben ihn geschnappt. Ungarische Grenzsoldaten haben in dieser September- Nacht nicht weggeschaut, sondern den Mann in der Dunkelheit auf den Bahngleisen verhaftet. Stefan Ritt, Friseur-Meister aus Potsdam, wollte im Spätsommer 1989 den eisernen Vorhang durchbrechen und über Ungarn und Österreich aus der DDR in die BRD auswandern. Doch er war der Zeit voraus. Erst einige Tage später öffneten die Ungarn offiziell ihre Grenze zu Österreich und Stefan Ritt konnte nach nur einer Nacht bei den Grenztruppen das sozialistische System verlassen. Er hatte bis dahin im Familienbetrieb – dem Friseursalon am Luisenplatz – gearbeitet und mit Olaf Kirchhoff Frisuren-Shows in der DDR veranstaltet. Zugleich gab es bereits Probleme mit der Staatssicherheit. Der Druck sei groß gewesen, sagt Ritt. Er wollte weg.

Der Plan dazu ist lange vorher gereift, als er im Frühjahr ein Visum für Bulgarien und Ungarn beantragt hatte. Die Route der Rückreise vom Urlaub in Bulgarien sollte in Bayern enden, doch es kam anders. Er fuhr durch Ungarn durch, wollte erst noch in Potsdam alles ins Reine bringen. Um an der Grenze nicht aufzufallen, ist er später mit dem Zug nach Ungarn gefahren. Freunde aus der Bundesrepublik hätten ihn in Österreich erwartet, doch erst im zweiten Anlauf hatte es geklappt.

An den Tag des Mauerfalls kann Stefan Ritt sich nicht mehr erinnern. Er hatte abgeschlossen mit der DDR, sagt er heute. Nach der Flucht sei er einige Monate für drei Friseurläden einer immer noch existierenden Kette verantwortlich gewesen, darunter auch in München. Dabei habe er Betriebswirtschaft gelernt – die er nach seiner Rückkehr nach Potsdam im Sommer 1990 auch in seinem Familienbetrieb anwenden konnte. Das habe ihm damals einen kleinen Vorsprung verschafft, sagt er heute. jab

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