Homepage: Aufstrebende Metropolen
Nach Ansicht von Regionalforschern muss sich Berlin-Brandenburg stärker als Metropole positionieren
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Während Berlin noch über seine Rolle als größte Stadt zwischen Ost- und West nachgrübelt und Brandenburg möglichst großen Abstand zum Geschehen hält, ziehen die aufstrebenden osteuropäischen Metropolen Warschau und Prag einfach an der Region vorbei. Die wieder erwachten Metropolen Osteuropas suchen heute eher in Brüssel und London Kontakt als in Berlin-Brandenburg. Zur hiesigen Region würden eher kleinere Städte die Anbindung suchen, sagte Prof. Hans Joachim Kujath vom Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung Erkner (IRS) am Rande einer Tagung zur Rolle der mittel- und osteuropäischen Metropolen am vergangenen Freitag. „Wir müssen stärker darauf achten, unsere Bedeutung zu zeigen“, so Kujath. „Sonst werden wir schlichtweg vergessen.“
Das Signal an die Politik laute, eine stärker auf Kultur und Wirtschaft bezogenen Außenpolitik mit den aufstrebenden Regionen Osteuropas zu führen. Was den Raum Berlin-Potsdam heute auszeichne sei eine starke Entwicklung von neuen Firmen im Bereich der so genannten Wissensökonomie. So würden etwa Bereichen wie Rechts- und Wirtschaftsberatung, Medien, MultiMedia, Film, Ingenieurdienstleistungen, Betriebswirtschaft und angewandte Forschung boomen. In Berlin-Brandenburg könne man heute schon von der Ausbildung einer postindustriellen Gesellschaft sprechen. „In Potsdam geht man recht zielstrebig diesen Weg, etwa mit den Vorhaben von Hasso Plattner, dem Wissenschaftscampus Golm, dem Designzentrum von VW oder dem Medienstandort“, so der Experte für Regionalisierung und Wirtschaftsräume.
In Westdeutschland finden sich heute schon zahlreiche Zentren der Wissensökonomie. Berlin-Brandenburg müsse nun in diesem Wettbewerb seine eigenen Nischen finden. Das könnte etwa der Kreativbereich in Medien und Mode sein, immerhin laufe Berlin derzeit Düsseldorf den Rang als Modestadt ab. Im Medienbereich sei in der Region die Vernetzung schon weit fortgeschritten. Dies auch in anderen Bereichen zu fördern ist nun, laut Kujath, eine Aufgabe der Politik. Der Förderpolitik raten die Experten unterschiedliche Bereiche zu fördern: Im engerene Verflechtungsraum Berlin müsste die Wissensökonomie gefördert werden, während in den Randregionen stärker industriell geprägte Cluster unterstützt werden sollten. „Die Perspektive der Region liegt nicht in einer totalen Deindustrialisierung sondern in der Spezialisierung auf einige Hochindustriebereiche und die Wissensökonomie“, so Kujath.
Im Mittelpunkt der erweiterten EU sehen die Regionalforscher heute Metropolenräume als wirtschaftliche Gravitationszentren. Nach Analysen des IRS ist zu erwarten, dass auch die großen Zentren der neuen Bundesländer – Berlin-Brandenburg, Leipzig, Dresden – in intensivere Verflechtungen mit den neuen Beitrittsstaaten einbezogen werden. „Dies gilt in besonderem Maße für die Hauptstadt Berlin und ihre Verbindung zum Nachbarstaat Polen“, war in einer IRS-Studie von 2004 zu lesen. Heute fällt die Analyse schon nüchterner aus. „Berlin nutzt die Dynamik der osteuropäischen Metropolen viel zu wenig“, lautet das Fazit von Prof. Kujath. Die Firmen müssten die Chancen besser erkennen, die Politik die Rahmenbedingungen – Verkehr, Transport und Telekommunikation – schaffen. „Wir müssen aber auch zielgerichtet auf mögliche Partnerstädte zugehen“, so Kujath. Hier geschehe derzeit noch viel zu wenig, wie auch in den anderen osteuropäischen Metropolen, die derzeit durch ihren Aufschwung sehr selbstbewusst und dominant auftreten. Für Berlin-Brandenburg müssten Warschau und Prag im Fokus liegen, aber auch Poznan, Stettin und Wroclaw.
Das Defizit der hiesigen Region wird für Prof. Kujath an der engen Verflechtung der polnischen Messestadt Poznan mit Frankfurt/Main deutlich. Frankfurt habe sich hier frühzeitig als Messe- und Finanzzentrum ins Spiel gebracht, mit der Berliner Region hingegen gäbe es kaum Kontakte. Auch sei nie darüber nachgesagt worden, ob und wie man den Stettiner Hafen stärker in die eigene Entwicklungsstrategie mit einbeziehen könnte. Hier sieht Kujath noch Anknüpfungspunkte: Stettin sei mit 600 00 Einwohnern eine Großstadtregion wie Hannover, aber viel näher gelegen.
Das IRS plädiert seit Jahren für eine Fusion der Länder Berlin und Brandenburg: die gemeinsame Entwicklung einer Metropolenregion Berlin-Brandenburg sei angesichts der europäischen und internationalen Konkurrenz unabdingbar. In der Region Berlin-Brandenburg sehen die Regionalforscher die Hauptstadt stärker als bisher als impulsgebenden Akteur gefordert. „Wir haben das Problem, dass zu wenig nach innen und außen bewegt wird“, fasst Prof. Kujath zusammen. Doch trotz der „zu braven“ Politik könne man immerhin verzeichnen, dass sich die Region nun im Bereich Wissensökonomie entwickele.
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