Landeshauptstadt: Ausgeufert
Auf Griebnitzsee und Groß Glienicke folgt Golm: Im Ortsteil wird um den Zugang zum Zernsee gestritten, weil die Stadt die „Badewiese“ an die Betreiberinnen des Gutes Schloss Golm verpachtet hat
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Freier Zugang zum Ufer – in Potsdam ist das seit langem ein sensibles Thema. Mit Vehemenz und vor Gerichten streitet die Stadt am Griebnitzsee und in Groß Glienicke für freie Uferwege. Doch am Golmer Ufer des Zernsees räumt das Rathaus zumindest teilweise Privatinteressen den Vorrang vor dem Wohl der Allgemeinheit ein. Für Unmut bei den Golmer Bürgern sorgt eine Absperrung direkt neben dem Gut Schloss Golm. Wer auf der Uferwiese rechts neben der für Familienfeste so beliebten Gaststätte Erholung sucht, steht bisweilen vor einer verschlossenen Pforte, die den Zugang zur Wiese versperrt. Golmer nennen das umstrittene Areal am Großen Zernsee „Badewiese“. Doch ob das Baden an diesem idyllischen Ort wirklich erlaubt ist und wer zu welchen Zeiten überhaupt auf die Uferwiese darf – darüber herrscht einige Verwirrung.
Unmissverständlich ist die Botschaft auf einem Schild am Eingang zur umzäunten Uferwiese: „Unbefugten ist das Betreten verboten“, lautet die klare Ansage. Zusätzlich der Hinweis: „Privatgrundstück“. Wer dies nicht lesen kann oder will, mag sich an der schmalen Pforte im Zaun versuchen. Häufig lässt sie sich öffnen, manchmal ist sie jedoch verschlossen. Wenige Meter hinter der Pforte empfängt den Eindringling eine – von außerhalb des Grundstücks nicht lesbare – „Parkordnung“, in der die „Besucher des Seezugangs“ angesprochen werden. Auch sind in dem Regelwerk Öffnungszeiten für die Wiese genannt. Ist die Öffentlichkeit hier also doch erwünscht?
Die Wiese ist im Besitz der Stadt Potsdam. Die Stadt hat das Gelände an die Betreiber von Gut Schloss Golm, Cora und Swetlana von dem Bottlenberg, verpachtet. Der Pachtvertrag sieht für die Wiese einen Mix aus öffentlicher und privater Nutzung vor. Nach den von Swetlana von dem Bottlenberg den PNN vorgelegten Unterlagen, bei denen es sich um Teile des Pachtvertrags handeln soll, haben sich die beiden Wiesenpächterinnen gegenüber der Stadt vertraglich verpflichtet, die gepachtete Wiese von Dienstag bis Sonntag ab 8 Uhr bis zum Sonnenuntergang für die Öffentlichkeit zugänglich zu halten.
Den Unterlagen zufolge dürfen die Pächterinnen zusätzlich zur Schließzeit an Montagen an 20 weiteren Tagen im Jahr das Gelände verschließen. An diesen Tagen können die Betreiber von Gut Schloss Golm das Wiesenareal am Zernsee ihren Gästen zur Verfügung stellen. Die variablen Schließtage müssten jedoch im voraus bei der Stadt angemeldet werden, so der Vertrag. Golmer Bürgern ist dieses Prozedere ein Dorn im Auge, da die 20 flexiblen Schließtage in der Öffentlichkeit kaum oder gar nicht bekannt seien. Die widersprüchliche Beschilderung sorge zusätzlich für Verwirrung. Selbst mitten auf dem Grundstück findet sich ein Schild „Betreten verboten“, obwohl zugleich die Parkordnung mehrfach im Gelände ausgehängt ist.
Marcus Krause (SPD) vom Golmer Ortsbeirat bedauert, dass die Stadt das Grundstück durch die Verpachtung teilweise der Öffentlichkeit entzogen hat. Für ihn ist das Vorgehen des Rathauses umso unverständlicher, als die Politik an anderer Stelle den freien Zugang zu den Potsdamer Gewässern propagiere. Im Jahre 2002 habe die damals noch selbständige Gemeinde Golm das Gelände vom Bundesvermögensamt in dem Wissen gekauft, dass der zwischen dem Bundesvermögensamt und den Bottlenbergs geschlossene Pachtvertrag noch bis zum Jahre 2006 fortbestehe. Nach Vertragsende habe die Gemeinde das Grundstück der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen wollen, so Krause. Durch die zwischenzeitliche Eingemeindung Golms sei dieser Plan jedoch zunichte gemacht worden. Die Stadt Potsdam verpachtete über 2006 hinaus an die Bottlenbergs.
Die beiden Pächterinnen verweisen darauf, dass es früher auf der Wiese immer wieder zu lautstarken Feten gekommen sei, die jede Menge Müll hinterlassen hätten. „Es waren hier Zustände, die nicht zu ertragen waren“, sagt Swetlana von dem Bottlenberg. Erst mit der Einzäunung des Areals sei Ruhe eingekehrt. Den von Golmer Bürgern geäußerten Verdacht, das Gelände sei häufiger geschlossen, als vertraglich erlaubt, tritt sie entgegen: „Der Vertrag wird erfüllt.“ Dem Ortsbeirat wirft Bottlenberg vor, Stimmung gegen die Pächterinnen zu verbreiten. „Hier wird einfach Politik gegen uns gemacht“, ist sich Bottlenberg sicher. Der Ortsbeirat hetze die Bürger immer wieder gegen die beiden Pächterinnen auf. Zukünftig werde man sich dagegen notfalls auch mit anwaltlicher Hilfe wehren. Den jahrelangen Streit um die Uferwiese bezeichnet Bottlenberg – frei nach Hildegard Knef – als „Bauerntheater ohne Drehbuch“.
Ortsvorsteher Ulf Mohr hält hingegen die Parkordnung für „nichtig“, wie er auf der vergangenen Ortsbeiratssitzung erklärte, ohne detaillierte Gründe dafür zu nennen. Laut den von Bottlenberg vorgelegten Unterlagen sieht der Pachtvertrag mit der Stadt allerdings eine bereits im Vertrag genau ausformulierte Parkordnung vor. Sie ist zwar nicht ganz mit dem ausgehängten Regelwerk identisch. Offenbar wurde jedoch der Katalog von Verboten nahezu wortgleich aus der Vorlage im Vertrag übernommen. So ist unter anderem das Baden und selbst das Mitführen von Fahrrädern verboten.
Eine Posse ist der Streit um die Einzäunung des Geländes: Der Pachtvertrag verlangt Zäune, die Stadt will sie entfernt sehen. Den vorgelegten Unterlagen zufolge verpflichtet der Vertrag die beiden Pächterinnen, das von ihnen „genutzte Gelände einzufrieden“. In einem Schreiben vom 18. Oktober dieses Jahres an den Ortsbeirat erläutert die Verwaltung jedoch, dass sie zwischenzeitlich die „Beseitigung der Zaunanlage“ verlangt habe, da der Zaun gegen baurechtliche Vorgaben verstoße. Dafür ging das Rathaus sogar vor Gericht – und scheiterte, den Angaben nach aus formalen Gründen. Wie aus dem Schreiben weiter hervorgeht, ist „eine neue Rückbauverfügung mit dem Ziel der Beseitigung der Zaunanlage ... derzeit in Bearbeitung und wird voraussichtlich zu einem erneuten Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Potsdam führen“.
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