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Protest. Mehr als 1000 Potsdamer haben am Mittwochabend am Bassinplatz gegen einen Aufmarsch von etwa 200 Pegida-Nachahmern protestiert. Nach Angaben eines Sprechers des Innenministeriums waren mehr als 1000 Beamte im Einsatz. Zunächst blieb der Protest weitgehend friedlich – erst nach dem Pogida-Aufzug verschärfte sich die Lage.

© A. Klaer (5), dpa

Landeshauptstadt: Ausnahmezustand

200 Pogida-Anhänger trafen in Potsdams Innenstadt auf mehr als 1000 Potsdamer Gegendemonstranten – und 800 Polizisten

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Innenstadt - Mehr als 1000 Potsdamer haben am Mittwochabend auf dem Bassinplatz gegen eine Kundgebung der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung – in Potsdam Pogida – protestiert. Auf dem nördlichen Teil des Platzes, wo sonst täglich ein Markt öffnet, hatten sich mehr als 200 Pogida-Anhänger versammelt, unter anderem NPD-Anhänger und Hooligans aus Berlin. Ein Großaufgebot der Polizei und Sperrgitter trennten die Lager. Dort blieb es am Abend bei Anfeindungen und Provokationen zwischen den rechten Demonstranten und ihren Gegnern.

Nach den Ausschreitungen vor einer Woche, als Linke unter anderem einen Pogida-Bus beschädigt hatten, galt ein Flaschenverbot. Die Polizei, mit mehr als 800 Beamten im Einsatz, führte Personenkontrollen durch. Außer einigen Böllerwürfen in Richtung Pogida, blieben die Proteste zunächst weitestgehend friedlich – und verlagerten sich. Gegen 19.30 Uhr standen Hunderte Gegendemonstranten auf der östlichen Seite des Bassinplatzes, um den sogenannten Abendspaziergang der Pogida in Richtung Humboldtbrücke zum Hauptbahnhof zu verhindern. Sie riefen lautstark „Nazis raus!“. Gegen 19.45 Uhr erklärte die Polizei schließlich die Pogida-Kundgebung für beendet.

Der Versammlungsleiter habe die Lage offensichtlich nicht im Griff gehabt, daher sei der Abbruch empfohlen worden, sagte Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke den PNN später. Danach lief ein Teil der Pogida-Anhänger zunächst gemeinsam über die Gutenberg- in Richtung Friedrich-Ebert-Straße. Dort wurden sie von Gegendemonstranten allerdings vom Abzug abgehalten. In der Folge beriet die Polizei, wie sie die Pogida-Anhänger friedlich zum Hauptbahnhof zurück geleiten könnte. Ob das gelang, blieb bis Redaktionsschluss unklar – an der Humboldtbrücke versuchten Gegendemonstranten ab 20.30 Uhr eine Rückzugsroute zu blockieren, dort wurden auch Polizisten angegriffen. Wasserwerfer fuhren auf.

Begonnen hatte der Abend mit einer Protestveranstaltung des parteiübergreifenden Bündnisses „Potsdam bekennt Farbe“. Dieses hatte unter anderem ein Kulturprogramm mit Musik und Tanz auf dem winterlich eingeschneiten Platz organisiert. Bündnisvorsitzender und Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sagte zu Beginn des Protests, angesichts zahlreicher Demonstrationen gegen den Islam und Flüchtlinge in Deutschland sei es wichtig, die demokratischen Traditionen zu zeigen, für die Potsdam stehe. Es handele sich nicht um den ersten Versuch rechter Gruppen, die Stadt zu vereinnahmen. Allerdings habe die Zivilgesellschaft schon mehrfach klargemacht, dass Potsdam keine Stadt sei, „in der sich Rechte tummeln können“, sagte Jakobs und erhielt Beifall Hunderter Zuhörer. Für den kommenden Mittwoch sei ein weiterer Pogida-Aufzug angekündigt – Veranstaltungen dieser Art werde sich die Stadt mit einem „langem Atem“ entgegenstellen. Angesichts der Ausschreitungen gegen den ersten Pogida-Aufmarsch sagte Jakobs, er hoffe auf friedliche Proteste. Mit gewalttätigen Auseinandersetzungen würde man nur dem rechten Gegner „einen Gefallen tun“. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte, es sei nicht zu dulden, dass Rassisten auf Marktplätzen „unser Land in den Dreck ziehen“.

Die Sorge vor erneuten Ausschreitungen hatte Konsequenzen: Der öffentliche Nahverkehr in der Innenstadt war weitgehend lahmgelegt. Über der Stadt kreiste ein Polizeihubschrauber, Räumfahrzeuge standen bereit. Die Tiefgarage unter der Wilhelmgalerie nahe dem Bassinplatz wurde um 17 Uhr geschlossen. Außerdem wurden acht zusätzliche Wachleute eingesetzt, um das Gebäude am Platz der Einheit zu sichern. Mehrere Geschäfte dort schlossen vorzeitig.

Die Ereignisse in Potsdam fanden großes mediales Echo: Unter anderem war die BBC am Abend mit Reportern vor Ort, daneben viele Kamerateams. Der Nachrichtensender Phoenix sendet am heutigen Donnerstag mehrfach live vom Bassinplatz – zum Thema „Wie tickt Deutschland? – Die Flüchtlingskrise“. Interessierte Bürger, die über ihre Erfahrungen berichten möchten, seien willkommen, sich zu äußern, so der Sender.

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