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Landeshauptstadt: Aussage steht gegen Aussage

Neue Vorwürfe im Missbrauchsprozess

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Bei dem seit Monaten laufenden Missbrauchsprozess gegen einen einstigen Börsenmanager stehen mögliche neue Vorwürfe gegen den 57-Jährigen im Raum. Die Nebenklage-Anwältin Sonja Schlecht stellte am Montag einen weiteren Beweisantrag, dass vor Gericht zwei weitere Zeuginnen aussagen sollen, dass der Angeklagte sie mehrfach „in sexualisierter Weise“ gekniffen und berührt haben soll. Es handele sich um Nichten ihrer Mandantin, dem mutmaßlichen Hauptopfer des Mannes, der seit mehreren Jahren in Potsdam lebt und hier zeitweise als Sprecher für einen CDU-Ortsverband fungierte.

Wie berichtet soll der Mann Sven-Uwe K. (Name geändert) seine Nichte Marie F. seit ihrem fünften Lebensjahr sexuell missbraucht haben, etwa wenn K. seine Schwester und eben ihre Tochter in der Schweiz besuchte. Die Tatvorwürfe liegen dabei mehr als zehn Jahre zurück. Der Onkel habe seine Nichte gefügig gemacht, so die Auffassung der Staatsanwaltschaft.

Doch Verteidiger Claus Pinkerneil versuchte am Montag einmal mehr, die Glaubwürdigkeit belastender Aussagen gegen seinen Mandanten K. in Zweifel zu ziehen. Speziell bezieht er sich auf Vorfälle, bei dem der Angeklagte sein mutmaßliches Opfer auch bei Familienurlauben in Brasilien missbraucht haben soll. Die Beschreibungen von Tatzeit und -ort würden dabei nicht zu vorhandenen Urlaubsvideos passen, machte er deutlich. Der Jurist verlangte in einem Beweisantrag, den nach Brasilien ausgewanderten Vater seines Mandanten zu hören – der dann zum Prozess nach Potsdam kommen müsste. Dieser soll Angaben der 28-Jährigen F. zu der Brasilien-Reise widerlegen, hieß es.

Zu Wort kam am Montag die frühere Leiterin einer Jugendkirchengruppe aus der Heimat der 28-Jährigen. Das damals etwa 17-jährige Mädchen habe ihr im Ferienlager erzählt, dass sie sich Schnittverletzungen im Arm zufüge, um Druck abzubauen. Auslöser seien die Übergriffe durch ihren Onkel. Details habe sie allerdings keine erzählt. Schließlich sei der Jugendlichen mit Hilfe der Kirche auch eine Beratung vermittelt worden, hieß es weiter.

Schon seit Jahren beschäftigt der Fall die Justiz. 2013 wurde K. am Amtsgericht wegen schweren sexuellen Missbrauchs zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Danach legten Ankläger und Verteidigung jeweils Berufung ein. Schließlich wurde das Verfahren, als die weiteren Vorwürfe zu der Brasilien-Reise dazukamen, vom Landgericht komplett neu aufgerollt, das erste Urteil verworfen.

Nebenklage-Vertreterin Sonja Schlecht sprach am Rande der Verhandlung von einer „tragischen Verfahrensentwicklung“, die ihre Mandantin sehr belaste – zumal sie sich nach all den Jahren auch nicht mehr so detailliert erinnern könne. Um sich von dem Geschehen zu distanzieren, habe sie zwischenzeitlich frühere Aufzeichnungen vernichtet: „Sie möchte aber Gerechtigkeit und verhindern, dass anderen Kindern so etwas passiert.“ Insgesamt sei die „vermeintliche Erinnerung“, speziell auch der Hauptanklägerin, für eine Verurteilung nicht hinreichend zuverlässig, hatte Anwalt Pinkerneil schon zuletzt erklärt. Mit im Gerichtssaal sitzt auch ein Spezialist, der die Glaubwürdigkeit der Aussagen begutachten soll. HK

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