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Von Sabine Schicketanz: Babelsberginale

Mit dem in Potsdam gedrehten Thriller „The International“ wurden gestern die Filmfestspiele eröffnet

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Berlin / Potsdam – Lampenfieber hatten sie schon, die Babelsberger Filmemacher. Solch eine Premiere erleben schließlich selbst erfahrene Studiobosse nicht oft: Ihr Film, der an 45 Drehtagen in Babelsberg und Berlin entstandene Thriller „The International“ des deutschen Regisseurs Tom Tykwer, eröffnete gestern Abend mit seiner Weltpremiere die 59. Internationalen Filmfestspiele in Berlin. „Ja, wir sind alle ein bisschen aufgeregt“, sagte Studio-Vizechef Christoph Fisser. Von den Qualitäten des Films allerdings ist er überzeugt: „The International“ sei ein „mitreißender Thriller“, angesichts der Finanzkrise geradezu „brandaktuell“.

Tykwer selbst freilich betont immer wieder, er habe die Krise natürlich nicht vorhersehen können. Bereits sechs Jahre war vor dem Dreh im Spätsommer 2007 an dem Film gearbeitet worden, in dem Interpol-Agent Louis Salinger (Clive Owen) und die New Yorker Staatsanwältin Ella Whitman (Naomi Watts) es mit einer korrupten Bank aufnehmen. Sie betätigt sich als Waffenhändler, will in der Dritten Welt die Kontrolle gewinnen und geht dabei über Leichen. Der ersten begegnet Louis Salinger gleich in den ersten Minuten des Films am Berliner Hauptbahnhof – vor seinen Augen stirbt sein Kollege.

Die Bundeshauptstadt hat noch weitere große Auftritte in Tykwers Film, der die Politthriller der siebziger Jahre seine Vorbilder nennt. Das Sony-Center und die Alte Nationalgalerie tauchen auf, und schon während des Drehs hatte der deutsche Erfolgsregisseur („Lola rennt“) gesagt, er habe unbedingt in Berlin, in den Babelsberger Studios arbeiten wollen. Letztere sind nicht nur als Koproduzenten eingestiegen, Tykwers Film, der vom US-Studio Columbia Pictures/Sony produziert wurde, brachte Studio Babelsberg auch den spektakulärsten Kulissenbau-Auftrag seit langem ein: Im denkmalgeschützten Lok-Zirkus der einstigen Orenstein&Koppel-Fabrik an der Wetzlarer Straße wurde das New Yorker Guggenheim Museum nachgebaut – eine frei schwebende, 200 Meter lange Rampe, 14 Meter hoch und mit 34 Metern Durchmesser. Das Schwierigste, was man je gebaut habe, gestand Construction Manager Dierk Grahlow. Dort findet die maßgebliche Action-Szene des Streifens statt, eine minutenlange Schießerei, nach der die legendäre Rotunde buchstäblich durchlöchert ist. Fast einen Monat wurde allein dafür im Lok-Zirkus gefilmt. Eine Sequenz, die wie Studiovize Christoph Fisser sagt, wohl in die Action-Filmgeschichte eingehen werde – und der Filmwelt zeige, was in Babelsberg möglich ist.

Für „The International“, der 5,8 Millionen Euro aus dem Deutschen Filmförderfond (DFFF) erhalten hat, gab es nach der Pressevorführung zur Berlinale gestern Nachmittag zurückhaltenden Applaus – und den Journalisten fiel vor allem eines auf: Regisseur Tom Tykwer hat frappierende Ähnlichkeit mit seinem Hauptdarsteller Clive Owen. Wollte er womöglich am liebsten selbst gegen die korrupte Bank kämpfen? Nein, antwortete Tykwer lachend, wenn auch an der Theorie etwas dran ist. „Man sucht eine Projektionsfläche für sich selbst, auch als Regisseur.“ Er fühle sich angezogen von Figuren, die gegen das System kämpften. Den Agenten Salinger, der vor allem durch seine Angst seine Kraft erlange, habe Clive Owen am besten verkörpern können. Film aber sei Teamwork, „und am Ende sahen wir uns alle irgendwie ähnlich“.

Für Studio Babelsberg geht die Aufregung heute gleich weiter: Der oscarnominierte „Der Vorleser“, mit Kate Winslet und David Kross in Babelsberg, Görlitz und Berlin gedreht, feiert im Wettbewerb, aber außer Konkurrenz, Premiere.

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