Landeshauptstadt: Barmixer-Schule ohne Alkohol
Im „Sweet Barworld“ kann man sich ohne Vorbildung zum Profi-Bartender ausbilden lassen
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Die Freiheitsstatue aus Zuckerguss, eine Säule aus Coca-Cola-Dosen und eine Gips-Nachbildung von Mount Rushmore an der Wand – kein Zweifel, es ist eine durch und durch amerikanische Café-Bar, die man im Hinterhof der Dortustraße 71 vorfindet. Die Inneneinrichtung von „Sweet Barworld“ spiegelt das Konzept seiner Betreiber perfekt wider, denn die Ende Juni eröffnete Weiterbildungsstätte vereint drei ungewöhnliche Schulungsangebote unter einem Dach: Die „American Bartender School“ (ABS), die „American Patisserie“ sowie die „Barista Academy Potsdam“. Kurz: Hier werden Künstler hinter der Theke ausgebildet.
Inhaberin des Ganzen ist die aus der Lausitz stammende Kathleen Dietrich, die vom amerikanischen Dozenten Ralph Diehl unterstützt wird. „Wir wollten das Süße mit der Bar verbinden – deshalb ,Sweet Barworld’“, erklärt Dietrich. „Ich war schon immer Amerika-begeistert und wollte ein Café betreiben, hatte aber Lust auf etwas Besonderes.“ Die 30-jährige Konditormeisterin leitet den Bereich Patisserie: Wer möchte, kann bei ihr lernen, wie man Cupcakes, Pushcakes, Lollicakes, amerikanische Themen-Torten und andere Leckereien aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten fabriziert.
Wer hingegen wie Tom Cruise im Film „Cocktail“ in Sekundenschnelle Drinks ausschenken will, kann sich bei Diehl an zwei Übungstresen zum Profi-Barmixer mit Prüfung durch die Industrie- und Handelskammer Potsdam ausbilden lassen: „Manche denken, wenn sie Gel im Haar haben, sind sie schon ein Bartender“, sagt der Mittfünfziger. Dazu braucht es etwas mehr: Kenntnis in „Spirituosenkunde“, Fingerfertigkeit sowie eine gute Portion Charisma und Kommunikationsbereitschaft. „Als Bartender ist man oft wie der Pfarrer im Beichtstuhl“, weiß Diehl.
Geboren wurde Diehl in einer amerikanischen Kaserne nahe Stuttgart als Sohn einer Deutschen und eines Amerikaners, zum Studieren siedelte er in die USA über. „Da ist mir das Geld ausgegangen, aber dann sah ich plötzlich im Fernsehen einen Werbespot, wo es hieß: ,Need Money? Be Bartender!’“ Diehl nahm den Slogan der ABS beim Wort und ließ sich in Los Angeles zum Profi-Mixer ausbilden. Danach ging er fünf Jahre auf Wanderschaft quer durch Nordamerika, Mittelamerika und Südamerika; in 30 bis 40 Bars arbeitete er dabei. Die Vitrinen im „Sweet Barworld“ zeugen davon: Shaker aus Chile oder Peru stehen neben asiatisch bemalten Shakern und historischem Barkeeper-Besteck.
Schließlich eröffnete Diehl 1982 in München ein amerikanisches Restaurant: „50 Spezialitäten aus 50 Bundesstaaten der USA – aber kein Fastfood!“, betont er. Nur zwei Jahre später gründete der umtriebige Gastronom seine eigene „American Bartender School“ – bis heute die einzige deutsche „Filiale“ des amerikanischen Unternehmens. 2006 kam die „Barista Academy“ dazu: Eine Schule für Profi-Kaffee-Köche und „Latte-Art“-Künstler – so die Bezeichnung für das Anfertigen von filigranen Motiven in Kaffee-Schaum.
In München lernte Diehl auch Kathleen Dietrich kennen – die Konditorin schlug Diehl vor, mit seiner Bartender School nach Brandenburg umzusiedeln, wo es ein solche Angebot noch gar nicht gebe, und dies mit ihrer Patisserie zu verbinden. Nach gewisser Zeit fand der erfahrene Bartender Gefallen an der Idee und sagte zu – in München hatten einige seiner ehemaligen Schüler ohnehin schon eigene Bartender-Schulen eröffnet, das Angebot war gesättigt. Dass sie in Potsdam gelandet sind, sei eher Zufall gewesen: „Es gefiel uns hier besser als in Berlin“, sagt Diehl.
Die Grundausbildung zum Barmixer kostet 1750 Euro und umfasst 80 Unterrichtsstunden – gelernt wird aber komplett ohne Alkohol, betont Diehl: „Wir stellen die Spirituosen mit Wasser und Lebensmittelfarben nach – das wäre sonst viel zu teuer.“ Ob die richtigen Mengen genommen wurden, prüft Diehl nach Augenmaß – ein echter Barkeeper muss schließlich auch ohne Messbecher auskommen. Und schnell muss er sein: Ein Teil der Prüfung besteht darin, in einer Minute vier verschiedene Cocktails zu mixen.
Wer weitere 750 Euro investiert, kann unter dem Titel „Flair Bartending“ auch die akrobatischen Wurf-Kunststücke und Showeinlagen erlernen, durch die Bartender zu regelrechten Entertainern aufsteigen: Im hinteren Bereich von „Sweet Barworld“ hat Diehl einen kleinen Raum mit Gummimatten und Stoffwänden eingerichtet, wo man mit Flaschen- und Glas-Dummys üben kann. In einem weiteren Kurs namens „Close-Up-Magic“ werden den Barkeepern zusätzlich kleine Zauberkunststücke mit Strohhalmen, Servietten und Münzen beigebracht. „Ein Bartender muss sich verkaufen“, unterstreicht Diehl, „unser Beruf ist reine Prostitution.“
Die ABS vermittelt ihre Studenten weltweit, erklärt Diehl: „Es gibt keinen Absolventen unserer Schule, der keinen Job in einer Bar oder einem Hotel bekommen hat.“ Seine über 2000 ausgebildeten Schüler arbeiteten sogar in Hilton Hotels oder auf dem Kreuzfahrtschiff Aida. Glaubt man Diehl, dann ist die Ausbildung gut angelegtes Geld: „Ein guter Bartender verdient oft mehr als jemand im mittleren Management.“
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