Landeshauptstadt: Bauherr sammelt Punkte
Für 599 Euro in Potsdam in die eigenen vier Wände – so wirbt eine Hausfirma. Doch geht das wirklich?
Stand:
Die Grundstückspreise sind hoch, die architektonischen Anforderung ebenso – Hausbau in Potsdam, das ist doch eher eine Angelegenheit für Reiche! Bei Bauland-Quadratmeterpreisen zwischen 100 und 300 Euro in Potsdam, wie die Landesbausparkasse (LBS) informiert, scheint das kein bloßes Vorurteil zu sein. Minimum 50 000 Euro allein für das Grundstück hinblättern, da bleibt der kleine Mann doch lieber Mieter. Oder doch nicht? Für 599 Euro pro Monat in die eigenen vier Wände, verspricht die Privileg Massivhaus AG. Ihr Slogan „Schluss mit Miete! Jeder kann bauen!“ Und das auch noch in der Stadt der Persius“ und Schinkels, in Potsdam. Und das auch noch unweit von Schloss Sanssouci, unweit des Unesco-Weltkulturerbes! Und das auch noch ohne Eigenkapital! In Bornim hat die Berliner Firma bereits 17 Häuser für ihre vorgeblich nur durchschnittlich solvente Kundschaft errichtet, „ein 18. ist im Bau“, erklärt Pressesprecherin Jana Hegewald.
Und es geht noch günstiger: Bauschilder in Bornim versprechen Monatsbelastungen von nur 490 Euro. Aber kann man dem trauen? Die Pressesprecherin der Verbraucherzentrale Brandenburg winkt ab. Nicht weil das privileg Massivhaus-Angebot Tücken hat, sondern weil das Bauherrenprojekt der Verbraucherzentrale seit einem Jahr vom Infrastrukturministerium nicht mehr finanziert wird, erklärt Evelyn Dahme. Drei festangestellte Bauexperten gaben einst in den 13 Beratungsstellen im Land Auskunft zum Thema Eigenheim. Das aber ist passé, das Beratungsangebot sei „ganz stark reduziert“ worden, so die Sprecherin.
Bleibt also nichts übrig, als das verlockende Angebot selbst zu prüfen. PNN hat es getan nach dem Poker-Motto: „Wir wollen sehen!“ In Bornim will privileg-Massivhaus-Sprecherin Jana Hegewald den 599-Euro-Beweis antreten. Uns erwartet Ines Bialek in ihrem neuen Eigenheim, in dem sie seit eineinhalb Jahren mit Mann und Tochter wohnt. Die erste Frage lautet natürlich, wie viel sie monatlich zahlt. Die Antwort von Hauseigentümerin Bialek trifft den Fragesteller wie ein Beil: „1045 Euro.“
Upps! Aber es klärt sich auf: Die Hausbesitzerin bekommt noch Eigenheimzulage in Höhe von 270 Euro, das müsse man abziehen. Zudem erreiche sie eine monatliche Reduktion beim Haushersteller von 200 Euro. Macht 575 Euro im Monat – Bingo! Zielkorridor doch erreicht. Aber wie genau kommt man da hin? Es gebe ein Punktesystem, mit dem der Hauskäufer seine monatliche Belastung für die Finanzierungszeit von 30 Jahren um bis zu 297 Euro (ist gleich 100 Punkte) senken kann, „um so mit zu mietähnlichen Konditionen im eigenen Haus zu wohnen“. Ines Bialek etwa lässt „drei bis vier Mal im Monat“ Leute in ihr Haus. Es dient als Musterhaus für andere Interessierte. Sehr viele Punkte bekomme, wer jemanden wirbt, der auch ein Haus der Firma kauft. Ein paar Punkte gibt es bereits, wer vor seinem Haus ein Schild aufstellt: „Schluss mit Miete“ (siehe Bild).
Man kann laut Jana Hegewald auch bei der Firma in einem Minijob arbeiten und so die 297 Euro Abzug verdienen. Wie sie versichert, komme man auch ohne die mittlerweile weggefallene Eigenheimzulage auf 599 Euro pro Monat – „nur ist dann das Haus kleiner“. Wie sie sagt, sind das „Warm-Raten“, denn die Häuser werden mit Erdwärmeheizung und Photovoltaik ausgerüstet. Das hat natürlich seinen Preis: Ein Haus „Charlie“ (Wohnnutzfläche: 151,45 qm) kostet laut einer Musterrechnung inklusive Grundstück für 52 000 Euro (Notar inklusive) 277 000 Euro. Abgezogen davon ist der maximale Eigenanteil von 18 000 Euro – der Hauskäufer wird zum Teil-Häuslebauer und baut unter Anleitung von Fachpersonal mit. „Charlie“ lässt sich so auf eine Rate von 610 Euro im Monat herunterpunkten.
Fazit: Ines Bialek ist zufrieden. Das Kleingedruckte bleibt eine wichtige Lektüre. Und: Wer ein 599-Euro-Haus will, der muss während und nach dem Bau einiges leisten.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: