Landeshauptstadt: Baustellen-Begehung
Mitglieder des Hamburger Vereins „Susila Dharma“ in Potsdam: Sie unterstützen hier die „Aktive Schule“ und die Kita des Rappelkiste e.V.
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Waldstadt II – An Schule erinnert hier nichts: In den Räumen liegen Teppiche und Matratzen mit Kissen, es gibt ein Sofa und ein Holz-Klettergerüst. In den Regalen finden sich so verschiedene Sachen wie eine Gesteinssammlung in einer Art Setzkasten, ein Korb mit Plastik-Tieren, ein Globus und eine Kiste mit farbigen Holzperlen. Nach einer Tafel sucht man in der „Aktiven Schule Potsdam“ vergebens. Früher, in den alten Räumen im Hans-Marchwitza-Ring, habe es noch eine gegeben, erzählt Claudia Wenzel aus dem Vorstand von Rappelkiste e.V., dem Trägerverein der alternativen Grundschule und einer Kita. In den neuen Räumen in Liefelds Grund habe sich irgendwie nicht der Platz gefunden. Und niemand vermisst die Tafel.
Wenzel führte am Samstag eine Besuchergruppe durch die Schulräume der erst vier Jahre alten Schule in freier Trägerschaft: Etwa 40 Mitglieder und Unterstützer des in Hamburg ansässigen Vereins „Susila Dharma – Soziale Dienste“ waren nach Potsdam gekommen, um hier das 25. Vereinsjubiläum zu feiern. Der Verein unterstützt die Potsdamer Rappelkiste als eines von mehr als 20 Projekten weltweit nicht nur finanziell. Mit Rosalind Honig hatte Susila Dharma bis gestern auch eine Potsdamerin als Vorstandsvorsitzende. Als Nachfolgerin wurde auf der gestrigen Mitgliederversammlung die bisherige zweite Vorsitzende Romina Vianden Prudent aus Oberherrnhausen bei München gewählt.
Seit Februar 2007 nutzen die Rappelkistler den zweigeschossigen Plattenbau in Liefelds Grund in Erbbaupacht: Nach und nach entstehen dort die neuen Räume für Kita und Grundschule. Bisher nur aus Eigenmitteln und eigener Arbeitskraft, erzählt Claudia Wenzel, selbst Erzieherin in der Kita. Dass das neue Zuhause eine Baustelle ist, passe gut zum Projekt: „Es verwirklicht sich mit der Baustelle“, sagt Wenzel. Auch neue Ideen sind in Planung: So will der 2007 gegründete Fundus e.V. einziehen – unter anderem mit einer Keramik- und Schreibwerkstatt. „Erwachsene und Jugendliche sollen sich selbst ausprobieren können“, erklärt Vereinsmitglied Rosalind Honig. Dahinter steckt wie bei der „Aktiven Schule“ die Idee des selbstbestimmten Lernens.
25 Schulkinder lernen seit diesem Schuljahr bereits in den renovierten Räumen. Die 27 Kita-Kinder sollen im November aus Zentrum Ost nachkommen. „Wir sind ein Projekt im Spagat“, sagt Rosalind Honig und illustriert den Gedanken mit ihren ausgestreckten Armen. In der „Aktiven Schule“ gibt es keinen gebundenen Unterricht, erklärt Claudia Wenzel: Keine Klassen, keine Schulnoten und keine Pausenklingel. „Die Kinder entscheiden total freiwillig, was sie wo lernen wollen“, sagt Wenzel. Betreut werden sie dabei von jeweils drei Lehrern. Wenzel verweist stolz auf den Anteil von Männern – zwei der insgesamt vier Lehrer sind Männer. Die geringe Schülerzahl ist gewollt: „Wir wollen die Schüler auch emotional begleiten“, sagt Wenzel.
Halb acht öffnet die Schule, halb neun beginnt der Unterricht. Den können die Kinder alleine verbringen – oder sie schließen sich einer Arbeitsgruppe an: Im Wochenplan stehen zum Beispiel ein „Schreibangebot“, „Rechnen“ oder „Singen“. Halb elf verkündet ein Gong die „Obstpause“. Ob die Kinder von dem aufgeschnittenen Obst essen wollen oder sich lieber weiter beschäftigen, entscheiden sie selbst. Auch zum gemeinsamen Mittag wird niemand gezwungen.
Als anerkannte Schule muss die „Aktive Schule“ den Regelschulplan einhalten, erklärt Wenzel: Die vorgeschriebenen Lerninhalte gibt es hier allerdings „in Form von konkreten Materialien“. Den Übergang zu einer „normalen“ Schule in der siebenten Klasse hätten bisher alle gepackt. Perspektivisch will Rappelkiste allerdings selbst von der Grundschule bis zur Sekundarstufe I – also Klasse eins bis zehn – unterrichten, so Wenzel.
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