
© Manfred Thomas
Von Jana Haase: Beginn einer nachhaltigen Freundschaft
Beim „Vision Summit“ am Campus Griebnitzsee dreht sich alles um soziales Unternehmertum
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Vom Bürotisch aus mal eben den brasilianischen Regenwald schützen – mit der Internetsuchmaschine „Ecosia“ geht das: 80 Prozent ihrer Einnahmen spenden die Betreiber an Regenwald-Projekte der Naturschutzorganisation WWF (Word Wide Fund For Nature). Für den Nutzer ist das Suchen kostenlos, die Anzeigenkunden zahlen Geld – wie bei anderen Suchmaschinen auch. Mittlerweile kommt so eine Spendensumme von bis zu 25 000 Euro im Monat zusammen, erklärt Sebastian Schüler, einer der sechs Ecosia-Mitarbeiter. Die in der Lutherstadt Wittenberg gegründete Firma ist ein typisches „Social Business“: unternehmerisch tätig und gleichzeitig sozial und ökologisch nachhaltig orientiert.
Um solche innovativen Geschäftsideen dreht sich die am gestrigen Freitag eröffnete Zukunftskonferenz „Vision Summit“ auf dem Universitäts-Campus Griebnitzsee. Rund 1000 Unternehmer, Wissenschaftler, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und Stiftungen treffen sich noch bis zum heutigen Samstag zu der Leitkonferenz, die das Berliner Genisis-Institut zum ersten Mal nach Potsdam verlegt hat – wegen der Verbindungen zur School of Design Thinking am Hasso Plattner Institut (HPI), wie Initiator Peter Spiegel gestern erklärte. Die am HPI gelehrte Methode des „Design Thinking“ biete eine „Steilvorlage“ für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Auch die Universität Potsdam ist mit ihrem Zentrum für Unternehmensgründung beteiligt. Der soziale Gedanke spiele bei den neuen Geschäftsideen von Studierenden eine immer größere Rolle, sagte Uni-Vizepräsident Dieter Wagner.
Mit einer furiosen Brandrede für ein Umdenken in der Energiepolitik eröffnete der Journalist und Autor Franz Alt die Konferenz am Morgen. Aus den Erkenntnissen zum Klimawandel müssten endlich die Konsequenzen gezogen werden, forderte er. Notwendige Alternativen gebe es längst, erläuterte er am Beispiel der Solarenergie oder des vor zehn Jahren entwickelten Ein-Liter-Autos, das jedoch ins Museum verbannt wurde. „Es gibt keinen Energiemangel, es gibt nur falsches Energieverhalten“, so Alt.
Andere Beispiele dafür, was in der Praxis nachhaltigen Wirtschaftens bereits funktioniert, bietet die Konferenz in rund 50 Workshops und auf einer Messe: Neben der nachhaltigen Suchmaschine präsentierten sich dort unter anderem auch eine Berliner Firma, die auf herkömmlichem Kaffeesatz Pilze wie den Austernseitling züchtet, eine Bank mit sozial nachhaltigen Geldanlagen oder ein Reiseveranstalter für „engagierten Urlaub“ in Projekten in Indonesien.
Fünf Pioniere des sozialen Unternehmertums wurden am gestrigen Abend mit den „Vision Awards“ ausgezeichnet: Darunter das ehemalige Model Bibi Russell, die mit einem neuen Modelabel die traditionelle Webkunst in ihrem Heimatland Bangladesh wiederbelebt hat, und der indische Augenarzt Perumalsamy Namperumalsamy, der in seinen Augenkliniken die Behandlung des Grauen Stars revolutionierte – und deshalb sozial Bedürftigen kostenlos helfen kann. Auch Ernst Ulrich von Weizsäcker, Mitglied im Club of Rome, der den Gedanken der sozialen Nachhaltigkeit seit den 1970er Jahren fördert, wurde geehrt.
So wie sich ökologisches Bewusstsein bei Unternehmern seit den 1990er Jahren nach und nach durchgesetzt habe, werde es auch eine Wende hin zu sozialen Anliegen geben, ist Initiator Peter Spiegel überzeugt. Die 2007 ins Leben gerufene Zukunftskonferenz soll eine Plattform für Engagierte sein und die Szene vernetzen, hofft er. Es handele sich um das weltweit größte Treffen dieser Art.
Ob sich Griebnitzsee auch 2012 wieder in einen „Vision Campus“ verwandelt, stand gestern noch nicht fest. Sowohl Uni als auch die Veranstalter waren zufrieden mit der Potsdam-Premiere: „Wir fühlen uns hier pudelwohl“, sagte Peter Spiegel. Uni-Vizepräsident Wagner hofft auf den „Beginn einer langfristigen nachhaltigen Freundschaft“.
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