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Landeshauptstadt: Bei Anruf Potsdam

Callcenter-Boom in Potsdam: 2500 Bürger arbeiten für 18 Telefon-Hotline-Anbieter / Easyjet-Kundenservice entsteht in Behlertstraße

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In Potsdam boomt die Callcenter–Branche. 18 Telefondienstleistungs-Unternehmen mit mehr als 2500 Angestellten gibt es in der Landeshauptstadt – so viele wie an keinem anderen Ort in Brandenburg. Allein der Hotline-Dienstleister SNT, einer der größten Arbeitgeber der Landeshauptstadt, hat die Zahl seiner Mitarbeiter in den vergangenen zwei Monaten nach eigenen Angaben von 1770 auf über 2000 aufgestockt. Derzeit beschäftigen bereits fünf Potsdamer Callcenter jeweils mehr als 100 Mitarbeiter. Und im Januar kommt ein weiteres dazu: Die Bertelsmann-Tochter Arvato richtet gerade in der Behlertstraße rund 100 Telefonarbeitsplätze für die britische Fluggesellschaft Easyjet ein.

Der Billigflieger will sein Kunden- und Servicecenter von London nach Potsdam verlegen. Bei Arvato in der Behlertstraße arbeiten bereits rund 100 so genannte Callcenter-Agenten. Der Dienstleister hatte Anfang 2007 das Callcenter-Unternehmen der Telekom Vivento übernommen, das ebenfalls dort angesiedelt ist.

Im Internet sucht Arvato für Easyjet bereits nach den neuen Mitarbeitern. Diese müssten zumindest gut Deutsch und Englisch sprechen können und sollten möglichst als weitere Fremdsprache Französisch, Italienisch oder Spanisch sprechen können, heißt es im Bewerbungsprofil des Unternehmens. Denn sie sollen später die Anfragen der Easyjet-Kunden aus ganz Europa außer Großbritannien und Polen beantworten, sagte Easyjet-Deutschlandchef John Kohlsaat gestern auf einer Pressekonferenz in Berlin. Rund 80 Prozent der Anrufer hätten Service-Fragen, 20 Prozent würden sich künftig in Potsdam aber auch über den Billigflieger beschweren, schätzt Kohlsaat.

Mittlerweile machen die Callcenter-Stellen drei Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Jobs in Potsdam aus, sagte Arbeitsagentursprecherin Isabell Wolling gestern auf Anfrage. Auch die Agentur hat die Bedeutung der Branche als Jobmotor erkannt und eigens ein Callcenter-Team mit drei Mitarbeitern zusammengestellt, die Callcenter-Agenten vermitteln. Insgesamt arbeiten derzeit rund 7900 Märker und Berliner in 60 brandenburgischen Callcentern.

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs zeigte sich gestern erfreut über die Ansiedlung von Easyjet. Sie sei ein Zeichen dafür, „dass Potsdam als Wirtschaftsstandort nicht nur für nationale, sondern auch für internationale Unternehmen immer interessanter wird“, so Jakobs.

Aber warum scheint die Stadt gerade für die Callcenter-Branche so attraktiv zu sein? Wolfgang Schütt, der für Standortpolitik zuständige Fachbereichsleiter bei der Industrie- und Handelskammer Potsdam (IHK), erklärt das vor allem mit den für Callcenter besonders günstigen Förderrichtlinien. Weil die Callcenter-Betreiber als Informationstechnologie-Unternehmen zu einer so genannten Förderschwerpunkt-Branche zählen und Potsdam zudem ein Förderschwerpunkt-Standort ist, könnten sich die Unternehmen Investitionen und Lohnkosten vom Staat bezuschussen lassen, so Schütt.

Für Easyjet sollen Fördermittel bei der Entscheidung, sich in Potsdam anzusiedeln, aber keine Rolle gespielt haben. Kohlsaat sprach gestern von einem klaren Bekenntnis zum Standort Deutschland. Von der Bundesrepublik aus hat die Fluggesellschaft im vergangenen Geschäftsjahr fünf Millionen Passagiere transportiert. Allerdings prüfe ihr Callcenter-Betreiber Arvato gerade, ob er einen Förderantrag stellt, bestätigte ein Sprecher.

Auch der Callcenter-Riese SNT nimmt Fördermittel in Anspruch, erklärte Sprecherin Jutta Lomberg. Sie beschleunigten zwar das Wachstum, aber die Vorteile des Standorts Potsdam seien andere: „Die gute Infrastruktur und die gut ausgebildeten Arbeitskräfte der Region. Sie sind kommunikativ und sprechen ein gutes Deutsch“, so Lomberg. So könne ihr Unternehmen auf die vielen Studenten der Hochschulen in Potsdam und Berlin zurückgreifen. Zudem lebten in der Region viele fremdsprachige Zugezogene. Sie sind wichtig für das Callcenter, das neben vielen Technik-Hotlines auch den weltweiten Telefonservice des Klingeltonanbieters „Jamba“ betreut.

Juliane Wedemeyer

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