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Landeshauptstadt: Beim Rechnen kommt es nicht nur auf die Lösung an Lehrerfortbildung zur Hilfe für rechenschwache Kinder. Experte fordert bessere Didaktik

„Fast jedes Kind kann rechnen lernen“, sagt Wilhelm Schipper. Voraussetzung sei, dass es ein Mindestmaß an Intelligenz habe und ihm das Rechnen mit den richtigen Methoden beigebracht werde.

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„Fast jedes Kind kann rechnen lernen“, sagt Wilhelm Schipper. Voraussetzung sei, dass es ein Mindestmaß an Intelligenz habe und ihm das Rechnen mit den richtigen Methoden beigebracht werde. Der emeritierte Professor vom Bielefelder Institut für die Didaktik der Mathematik hielt am Dienstag einen Vortrag beim „Kleinen Grundschultag“ in der Grundschule am Kirchsteigfeld. Gut 80 Grundschullehrer aus Potsdam, Potsdam-Mittelmark und Havelland waren bei der Lehrerfortbildung dabei, hörten zu und probierten anschließend in Kleingruppen einige Beispielübungen aus.

Das Wort Rechenschwäche fand sich in der Einladung zwar nicht – da hieß es „Kinder mit besonderen Schwierigkeiten im Rechnen als schulische Herausforderung auf dem Weg zur Inklusion“ – Schipper wollte aber nicht drumherum reden: Das Thema habe derzeit Konjunktur. Dennoch habe nicht jedes Kind mit Schwierigkeiten beim Rechnenlernen eine seelische Störung. Vielmehr komme es darauf an, individuelle Probleme beim Rechnenlernen zu erkennen und dem Kind dann mit der passenden Methode zu helfen, so Schipper. Da das vor allem Aufgabe der Schule sei, müssen die Lehrer auch in die Lage versetzt werden, das leisten zu können. Brandenburg sehe er auf einem vergleichsweise guten Weg.

Zuvor hatte er in seinem Referat exemplarisch Probleme vorgestellt, die ihm in seiner Arbeit bei der Bielefelder Beratungsstelle für Kinder mit Rechenschwierigkeiten begegnet sind. Seit den 80er Jahren werden dort Kinder zielgerichtet bei der Entwicklung von Rechenstrategien unterstützt. Im Video war beispielsweise Cora zu sehen, die bei der Aufgabe 94 minus 52 auf die Lösung 24 kam. In der Analyse habe sich gezeigt, dass Cora beim Versuch der Lösung gleich vier Zahlendreher und falsche Überträge eingebaut habe. „Mit dem nächsten Zahlendreher hätte sie sogar das richtige Ergebnis erzielt“, so Schipper. Das zeige, dass es nicht nur auf die richtige Lösung ankomme. Vielmehr müsse darauf geachtet werden, dass die Schüler eine Rechenstrategie entwickeln. „Schwierigkeiten wachsen sich nicht von selbst aus“, sagt der ehemalige Grundschulleiter. Der Versuch, Lösungen durch Zählen zu finden, sei für die Kinder mental so anstrengend, dass sie dabei oft die Aufgabe vergessen.

Die Entwicklung von Rechenstrategien könne mit dem richtigen Material unterstützt werden. Dabei sollen die Handlungen des Kindes mit dem Material mit den angestrebten Strategien strukturell übereinstimmen, so Schipper. Anschließend müsse die Verinnerlichung zu einem mentalen Schema gestützt werden. Als Beispiel führte er den Abakus an: Dabei solle das Kind zuerst eine Aufgabe mithilfe das Abakus selbst lösen. Im nächsten Schritt bediene die Lehrkraft die Rechenhilfe auf Anweisung des Kindes. Später wird der Abakus vom Lehrer nur noch verdeckt bedient und schließlich ganz weggelassen. Bei der Übung müsse immer die Art und Weise der Lösung abgefragt werden.

In der Erforschung von Lernschwierigkeiten beim Rechnen sieht Schipper indes Nachholbedarf. „Wir wissen noch zu wenig“, sagte Schipper. Im Vergleich zur Lese-Rechtschreib-Schwäche seien Störungen beim Rechnenlernen zu wenig erforscht. Außerdem sei der Bereich bisher überwiegend vonseiten der Psychologie und zu wenig von der Didaktik erfasst.

Bei den Lehrern sei das Bedürfnis sehr hoch, sich in der Förderung von Schülern mit Rechenschwierigkeiten fortzubilden, so Gudrun Klewitz. Die Schulleiterin ist seit der Gründung von Abaküsschen, der Potsdamer Beratungsstelle für Kinder mit Rechenwäche, vor 20 Jahren selbst in der Fortbildung aktiv. Seit zwei Jahren konzentriere man sich dort bereits darauf, die Beobachtungsfähigkeit der Lehrer zu stärken.

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