
© M. Thomas
Landeshauptstadt: „Bekenntnis zu unserem Haus“
Fotos von Kathrin Ollrogge dokumentieren das Leben der Bewohner des Staudenhof-Wohnblocks. ProPotsdam-Chef will die Bilder weiter ausstellen
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Innenstadt - Was denn eigentlich hier los sei, will der junge Mann von Horst Müller-Zinsius wissen. Der Geschäftsführer der ProPotsdam war auch zur Eröffnung einer Fotoausstellung vor dem Eingang des Wohnblocks am Staudenhof gekommen. Immerhin geht es um „Vermögenswerte, auf die wir nicht verzichten können“, sagt Müller-Zinsius. Dass die Zukunft der 30-Quadratmeter-Wohnung, in die der junge Mann erst im vergangenen Jahr eingezogen ist und für die das Arbeitsamt die 370 Euro Warmmiete zahlt, während er das Abitur an der Abendschule nachholt, derzeit ein Politikum ist, war dem Bewohner bisher nicht bewusst. Doch es stört ihn wenig, dass die Rathauskoalition den 1971 gebauten Block in zehn Jahren am liebsten abreißen lassen will. „Da bin ich garantiert schon längst weg“, winkt er ab. Es sei zwar ganz nett hier, aber doch recht eng und vor allem hellhörig. „Man hört schon mal die Nachbarn husten und abends laute Musik – das geht gar nicht.“
Auch von Kathrins Ollrogges Fotoaktion im vergangenen Jahr hat der junge Mann nichts mitbekommen. 2011 klingelte die Fotografin an sämtlichen Wohnungstüren und bat darum, Bewohner und Wohnung ablichten zu dürfen. Nicht immer war das so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatte. Doch nach einer Zeit des miteinander Vertrautwerdens hieß es meist: „Na, dann kommen Se mal rein mit Ihrer Kamera!“ In dem vom Kulturland Brandenburg geförderten Projekt ging es der Fotografin um die Erforschung der Nachkriegs-Ostmoderne. „Ich war neugierig: Wer lebt denn dort? Wie viele verschiedene Geschichten und Epochen würde ich in dem Haus finden?“
Das Ergebnis sind 40 großformatige Bilder, eine sowohl künstlerisch als auch dokumentarisch wertvolle Arbeit. Die kleinen Wohnungen mit den stets gleichen Grundrissen hat sie aus den selben Blickwinkeln fotografiert, eine Chronik, Momentaufnahme des Ganzen, entstand.
Müller-Zinsius war anfangs gar nicht begeistert: „Wie kommt die dazu, einfach so in unserem Haus zu fotografieren?“, erinnert er sich an seine ersten Gedanken. Jetzt aber freut er sich, die Bilder, „ein klares Bekenntnis zu unserem Haus und den Mietern“, sollen anschließend im Haus der ProPotsdam zu sehen sein.
Neben zahlreichen Vertretern von Kulturland Brandenburg, Potsdam Museum, Stadt und Politik sind am gestrigen Donnerstag nur wenige Anwohner zugegen, obwohl deren vermeintlich hohes Frustpotenzial als Argument für den Erhalt des Gebäudes herangezogen wird. Eine langjährige Mieterin rechnet aus, dass sie wohl ihr Auto verkaufen müsse, wenn der Block einst saniert würde und die Miete steige. In zehn Jahren sei sie allerdings 82 Jahre alt, rechnet sie weiter, und der öffentliche Nahverkehr ohnehin eine gute Alternative. Ihre Nachbarin findet, es gibt in Potsdam nicht genügend kleine Wohnungen als Ersatz. Sie schaue täglich durch die Zeitungsinserate. Einen Rechner, um im Internet nach Wohnungen zu suchen – nein, den habe sie nicht. Auf den 182 Balkonen bleibt es am Donnerstag ruhig. Müller-Zinsius eröffnet das Büfett und Linke-Frakionschef Hans-Jürgen Scharfenberg denkt an eine Bürgerbefragung zum Staudenhof.
Finissage am Sonntag um 15 Uhr mit Kaffee und Kuchen
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