
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Bergmann-Klinik hilft Vergewaltigungsopfern
Vier Brandenburger Kliniken bieten künftig anonyme Spurensicherung ohne polizeiliche Anzeige an
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Eine neue Initiative soll die Strafverfolgung sexueller Gewaltdelikte verbessern: Das Potsdamer Klinikum „Ernst von Bergmann“ ist eines von vier Krankenhäusern in Brandenburg, das ab dem 10. Dezember medizinische Soforthilfe und vertrauliche Spurensicherung für Vergewaltigungsopfer anbietet. Betroffene können so, auch ohne eine Anzeige bei der Polizei, die Spuren der Tat von einem Gynäkologen oder Urologen sicherstellen lassen, damit eine spätere Strafverfolgung möglich wird.
Vorgestellt wurde die Initiative am Dienstag anlässlich des Hissens der Fahne der Frauenrechtsorganisation „Terre de Femmes“ vor dem Potsdamer Rathaus zum „Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“. Laut der Opferschutzbeauftragten der Polizeidirektion Potsdam, Cathrin Lebedeff, wurden 2013 im gesamten Gebiet der Polizeidirektion sechs Vergewaltigungen angezeigt. „Doch die Dunkelziffer ist wesentlich höher“, so Lebedeff. Laut der sogenannten Schröttle-Studie des Bundesfamilienministeriums würden in Deutschland nur acht Prozent der Frauen, die sexuelle Gewalt erfahren, überhaupt zur Polizei gehen.
Dazu fühlten sich Vergewaltigungsopfer direkt nach der Tat häufig nicht in der Lage, so Rosmarie Priet vom Verein Opferhilfe Land Brandenburg: „Wenn sie es dann später machen, wird das Verfahren oft eingestellt, weil die Spuren medizinisch nicht mehr sichergestellt werden können“, so Priet. „Die Polizei hat dann immer das Problem, dass es keine Beweise mehr gibt“, sagte Alexander Gehl, Leiter des Bereichs Prävention der Polizeidirektion Potsdam.
Ins Leben gerufen wurde die Initiative zur anonymen Spurensicherung vom Verein Opferhilfe und dem Sozialministerium Brandenburg. Ebenfalls beteiligen sind das Klinikum Frankfurt (Oder), das Carl-Thiem-Klinikum Cottbus und die Ruppiner Kliniken in Neuruppin, die Mitarbeiter der Krankenhäuser wurden dementsprechend geschult. Vergleichbare Angebote gibt es schon in mehreren anderen Bundesländern.
2013 wurden in Brandenburg 3843 Straftaten im Bereich „häusliche Gewalt“ registriert – 312 davon in Potsdam. Dazu zählen unter anderem Körperverletzungen, Sexualdelikte, Freiheitsberaubung und Mord. Die Polizei verzeichnete landesweit einen Anstieg um 7,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, damit liegt die Zahl häuslicher Gewaltdelikte so hoch wie noch nie. Alarmierend: Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die Opfer wurden, stieg um 25,3 Prozent.
Wenn Frauen zu Hause Gewalt erfahren, können sie Schutz in einem Frauenhaus suchen; das 2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz soll diese Praxis eigentlich umkehren, indem diejenigen, von denen die Gewalt ausgeht, den Haushalt verlassen müssen. „Es gibt aber noch immer Umsetzungsschwierigkeiten in der Praxis“, sagte Potsdams Gleichstellungsbeauftragte Martina Trauth-Koschnick. Dies liege unter anderem an fehlendem Wissen über das Gesetz, noch stärker aber an der inneren Hemmschwelle, die gesetzlichen Möglichkeiten auch zu nutzen. „Das ist der Hauptgrund, denn die die betroffenen Frauen werden von uns ja über das Gesetz aufgeklärt“, sagte Lebedeff.
2013 hat das Autonome Frauenzentrum Potsdam 40 Frauen und 39 Kindern Schutz geboten sowie 180 Frauen beraten. Um die Sensibilität für das Thema zu erhöhen und den Schutz von Frauen und Kindern zu verbessern, leitet Trauth-Koschnick am 27. November zusammen mit dem Arbeitskreis Opferschutz einen Fachdialog zum Gewaltschutzgesetz im Drewitzer Begegnungszentrum „oskar“, die Veranstaltung ist öffentlich.
Noch kritischer sind häusliche Gewalt und sexuelle Belästigung für Frauen, die in Flüchtlingsheimen wohnen: „Gerade junge Frauen, die alleine geflohen sind und keine Eltern und keine soziale Gemeinschaft mehr haben, sind quasi Freiwild in den Heimen und vielen Belästigungen ausgesetzt“, sagte Nadia Hübner vom Autonomen Frauenzentrum.
Hinzu komme, dass durch die Rechtslage in Brandenburg in Flüchtlingsheimen Täter von häuslicher Gewalt nicht des Wohnraums verwiesen werden können, sagte Gehl. Stattdessen müssten meist die betroffenen Frauen das Heim verlassen oder sogar in eine andere Stadt ziehen. „Wir warten schon seit einem Jahr, dass das Land diese Rechtslage ändert, aber bislang ist noch nichts passiert“, klagte Trauth-Koschnick. Erik Wenk
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