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Landeshauptstadt: Besonderes Sendungs- Bewusstsein Ein Gottesdienst als Radio-Liveübertragung

Jägervorstadt - Fünf aufgestellte Mikrofone deuten an, dass sich im Gemeindehaus der Freien Evangelischen Gemeinde Potsdam an diesem Sonntagvormittag Außergewöhnliches ereignet. Fünf Mikrofone und gut 40 Augenpaare, die auf eine kleine rote Lampe stieren.

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Jägervorstadt - Fünf aufgestellte Mikrofone deuten an, dass sich im Gemeindehaus der Freien Evangelischen Gemeinde Potsdam an diesem Sonntagvormittag Außergewöhnliches ereignet. Fünf Mikrofone und gut 40 Augenpaare, die auf eine kleine rote Lampe stieren. Im Augenblick des Aufleuchtens setzt der Chor „Kirchenwind“ ein. Die Radio-Liveübertragung des Gottesdienst hat begonnen. Die nächsten 60 Minuten im Programm von RBB Kultur gehören Pastor Johannes Schumacher und seinen Gemeindemitgliedern.

Mit Spannung hatte er diesen Moment erwartet, gibt Pastor Schumacher danach zu. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg sei bereits vor einem dreiviertel Jahr auf die Gemeinde zugekommen. Im Wechsel zwischen Katholiken und Protestanten wird jede Woche ein Gottesdienst aus dem Sendegebiet live übertragen. In diese Sendungen eingeschlossen seien auch die zwölf freien Gemeinden in Berlin und Brandenburg.

Vor vier Wochen gab es dann den Radio-Crash-Kurs in schriftlicher Form. „Unter anderem, dass es im Rundfunk keine Pausen geben darf, sondern Punkt für Punkt ineinander übergehen muss“, weiß Schumacher nun. Für die Gottesdienstbesucher im schlicht ausgeschmückten Gemeindesaal wirkt das Programm daher leicht gehetzt. Am Sprecher-Pult drängen sich Gemeindemitglied Thea Wilke, die als Moderatorin durch den Gottesdienst führt, Johannes Schumacher mit seiner Predigt und mehrere Gemeindemitglieder, die Gebete abhalten. Einem Ringelreihen gleich ziehen die Sprecher im Kreis um das Pult, nur damit Beitrag auf Beitrag folgt und keine Stille gesendet wird. Dazwischen immer wieder der überkonfessionelle Chor „Kirchenwind“, der deutsche und englische Choräle und Gospels singt.

Pastor Schumacher predigt über die Sorglosigkeit. „Was würde Jesus zu Sanssouci (sorglos) sagen?“ Schumacher schlägt Verbindungen zwischen Friedrich dem Großen und aktuellen Entwicklungen. Sorglos wirkte er jedenfalls nach dem Ende dieses außergewöhnlichen Gottesdienstes. „Ein wenig mussten wir den Ablauf der Veranstaltung natürlich anpassen“, gesteht Schumacher. Normalerweise singe man mehr gemeinsam, gebe es auch häufiger Fürbitten und Gebete von anderen Gemeindemitgliedern.

Anpassen musste auch der Pianist sein Klavierspiel am Ende der Liveübertragung. Der musikalische Ausklang gerät um vieles länger als eigentlich geplant. Minutenlang improvisiert der Tastenvirtuose, klimpert eine Variation nach der anderen, ehe endlich – für alle eine Erlösung – das kleine Rotlicht endlich erlischt und der Pianist unter dem dankenden Applaus der Gottesdienstbesucher das unermüdliche Spiel mit einem bewusst profanen Dreiklang beendet. Der Gottesdienst mit dem ganz besonderen Sendungs-Bewusstsein ist vorbei.

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