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Oldtimertreff in Potsdam: Besser als Sex

Sie werden von ihren Besitzern restauriert, gepflegt und angebetet: die Oldtimer. In Potsdam trifft sich über Pfingsten der Mercedes-Benz Veteranen Club.

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„Nur mit den Augen berühren“ steht auf den Schildern an den Autos. Denn das können die Besitzer der Mercedes-Benz Oldtimer überhaupt nicht leiden: Wenn die Zuschauer das Blech tätscheln, prüfend drauf herumklopfen, vielleicht noch mit dem Reißverschluss der Jacke oder dem Knopf der Handtasche Kratzer verursachen. „Wir sind ja alle stolz auf die Wagen und zeigen sie gern. Aber bitte immer Fragen, und ich wette, dann dürfen Sie sich sogar reinsetzen, wenn sie wollen“, sagt Jan Ehorn. Der Berliner Oldtimerbesitzer ist Vorsitzender des Regionalclubs Berlin-Brandenburg des Mercedes-Benz Veteranen Clubs (MVC) Deutschland. Und an diesem Wochenende Gastgeber des deutschlandweiten Pfingsttreffens, das in Potsdam stattfindet. Von den 1750 Mitgliedern sind gut 140 mit ihrem Wagen aus ganz Deutschland nach Potsdam angereist. Entweder auf eigener Achse, das Fahrzeug also selbst gefahren, oder auf dem Hänger transportiert. Das älteste Fahrzeug ist Jahrgang 1926.

Josef Mast ist mit einem 280er Mercedes Baujahr 1968 von Stuttgart nach Potsdam gefahren. In sieben Stunden, kein Problem, sagt Mast. Der Unternehmensberater ist Präsident des Deutschland-Clubs. Und hat außer dem Wagen auch seine beiden Söhne mitgebracht. Die ebenso begeistert sind von den alten Wagen. Und ein Beispiel dafür, dass es im Oldtimerclub zwar Nachwuchsprobleme gibt, die Lage aber nicht hoffnungslos ist. Die Schwaben haben sogar einen Junior-Oldtimerclub gegründet. Die Studenten und Azubis machen am gestrigen Freitag im Hotel Seminaris die Einparker. Und sind von Potsdam und dem Templiner See vor dem Hotel ganz begeistert. „Besser als der Bodensee“, sagt einer.

„Besser als Sex“ rutscht einem anderen Nachwuchs-Oldtimerfahrer raus, als es um das Hobby geht. Der wunderbare Schwung des Kotflügels und gepflegter, polierter Lack – darüber gerät er ins endlose Schwärmen.

Die Freude an der Schönheit und Ästhetik alter Fahrzeuge teilen sie mit ihren Vätern und Großvätern. Die oft aus eher praktischen Gründen zu Oldtimerfans wurden. Ausrangierte Mercedes der 50er-Jahre waren in den 1960ern und 1970ern als billige Studentenautos geschätzt. Man ersetzte den Benzinmotor mit einem Diesel und hatte ein unverwüstliches Auto, einen sogenannten Heizöl-Ferrari. Männer wie Ehorn und Mast blieben dann der Marke treu.

Der MBV ist jetzt auf Rahmenfahrzeuge der Marke Mercedes spezialisiert, Fahrzeuge, bei denen die Karosserie wie eine Außenhaut auf das Fahrgestell aufgebaut wurde – bis in die 1950er-Jahre wurden Autos so gefertigt. Oft kleine Serien in viel Handarbeit. Die Männer schwärmen: An solchen Wagen kann man noch selbst schrauben. Winfried Rolletschke aus Ostfriesland ist sogar in einer historischen Feuerwehr aus dem Jahr 1965, umgebaut zu einem Campingwagen, angereist. Er braucht kein Hotelzimmer.

Bei den Jahrestreffen wird geschaut und gequatscht, werden Geschichten erzählt, von Scheunenfunden zum Beispiel, alte Fahrzeuge, die jahrelang irgendwo versteckt ruhten, bis sie jemand entdeckte und restaurierte. Wie Jan Ehers, der gerade einen Mercedes Baujahr 53 in einer Tiefgarage entdeckte. 50 Jahre stand er da, dick Staub drauf, eine tote Katze über der Vorderachse. Glaubt man den Männern, sind das harmlose Funde. Es habe auch schon mal eine alte SS-Uniform auf einem Rücksitz gelegen, sagt einer.

Einig sind sich alle, dass das Hobby nicht anders ist als die Leidenschaft für einen bestimmten Fußballclub. Es muss auch nicht besonders teuer sein. „Wir haben Mitglieder quer durch alle Berufsgruppen“, sagt Mast. Wichtigste Regel aller Oldtimer-Halter, die in der großen Mehrzahl Männer sind: Die Frauen müssen das auch gut finden. „Sonst funktioniert das nicht“, sagt Jan Ehers. Und so wird das Pfingsttreffen für viele zu einem Familienausflug, Frauen und Kinder kommen einfach mit. Bei der Rallye am Sonntag spielen die Frauen als Beifahrerinnen sogar eine wichtige Rolle. Das Hirn fährt rechts, heißt es, denn die Beifahrerin muss das Roadbook führen, den Fahrer schnell zu allen Kontrollpunkten leiten.

Die Ausfahrten durch Brandenburg und die Mecklenburger Seenplatte sind beliebt: Vor allem Besucher aus Westdeutschland schwärmen über die Landschaft und die historischen Baumalleen. Auch die Menschen in den Dörfern an der Strecke seien sehr offen und interessiert. „Im Ruhrpott sind wir Verkehrshindernis“, sagt der Feuerwehr-Fahrer. „Hier setzt man sich, wenn wir kommen, im Campingstuhl an den Straßenrand.“

Samstag ab 11 Uhr am Hotel Seminaris Fahrzeugbewertung und Geschicklichkeitsparcours, ab 15 Uhr Teilemarkt. Die Sonntagsausfahrt beginnt um 9 Uhr. Die Fahrer machen in Ketzin gestaffelt Kaffeepause, von 10.45 Uhr bis 12.45 Uhr. In Mötzow auf dem Vielfruchthof ist Mittagspause, von ca. 11.30 Uhr bis 15 Uhr. Ankunft zurück in Potsdam am Hotel ab 15 Uhr. Anschließend präsentiert Autopapst Andreas Keßler die schönsten Fahrzeuge.

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