
© NASA
Von Frank Spahn: Besuch beim Herrn der Ringe
Die Raumsonde Cassini erforscht den Riesenplaneten Saturn, seine Monde, Satelliten und seine außergewöhnlichen Ringe
Stand:
Im Jahr der Astronomie berichten Potsdamer Astrophysiker regelmäßig in den PNN von ihren liebsten Himmelskörpern.
Seit mittlerweile fünf Jahren befindet sich die Raumsonde Cassini der Raumfahrtorganisationen NASA und ESA im Orbit um den Planeten Saturn. Neben der Erforschung des Riesenplaneten, seines größten Mondes Titan und der zahlreichen Eissatelliten, zählen Untersuchungen der phantastischen Ringe Saturns zu den wissenschaftlichen Hauptzielen der Cassini-Mission.
Dieser Schmuck Saturns besteht aus Myriaden von Eisteilchen von Zentimetern Größe bis hin zu Brocken so groß wie Einfamilienhäuser. Sie haben insgesamt eine Ausdehnung von rund 300 000 Kilometern – das ist nahezu die Distanz Erde-Mond. Hingegen beträgt ihre Dicke, wie von den Cassini jüngst vermessen wurde, nur wenige Meter. Zur Illustration: ein Blatt Papier müsste die Ausdehnung von mehreren Fußballfeldern haben, um das Verhältnis Dicke zu horizontaler Größe der Saturnringe zu modellieren. Sie sind somit die „flachsten“, uns bekannten Strukturen im Universum. Neben dieser bemerkenswerten globalen Gestalt der Ringe offenbarten die Messungen der Raumsonden Pioneer, Voyager und nun Cassini eine faszinierende Welt, die von einer komplexen Dynamik geformt ist. So zeigen die Saturnringe wellenartige Strukturen, die von der Massenanziehungskraft (Gravitation) der Ringe oder von Teilchenkollisionen getrieben werden und die Aufschluss über die Ringmasse sowie über gewisse Eigenschaften der Ringteilchen geben können.
Mehr noch – das Studium bestimmter Strukturen, die von in den Ringen eingebetteten Kleinmonden (Moonlets) verursacht werden, gestattet einen Blick zurück in die Entstehungsphase der Ringe. Die Moonlets haben Größen von „Wolkenkratzern“ bis hin zu einigen Kilometern und „gravieren“, dank ihrer Gravitation, Bugwellen, Lücken und propellerförmige Dichteänderungen in die Ringe. Diese Merkmale stellen quasi einen „Fingerabdruck“ der Moonlets in den Ringen dar, nur mit dessen Hilfe man sie entdecken kann – denn die meisten von ihnen sind zu klein, um von den Cassini-Kameras direkt aufgelöst zu werden. Mit der theoretischen Vorhersage der „Propeller“ haben Potsdamer Wissenschaftler zur Entdeckung von zahlreichen Moonlets in den Saturnringen beigetragen. Cassini-Bilder zeigen etwa, wie der Mond Daphnis Wellen in die Ringe schlägt, die Schatten werfen (Foto). Die bloße Existenz solcher Moonlets wiederum deutet auf eine gewaltsame „Geburt“ der Ringe: Den Einschlag eines Asteroiden oder Kometen von einigen zehn bis hundert Kilometern Größe auf einen der zahlreichen größeren Eismonde Saturns.
Die Entstehungsalternative nämlich – nach der die Ringe Zeugen und Überbleibsel der Planetenentstehung vor 4,5 Milliarden Jahren sind – könnte keine Körper hervorbringen, die größer als eine Villa sind. Die Ursache ist in der unmittelbaren Nähe der Ringe zu dem Riesenplaneten Saturn zu suchen, dessen Gravitation größere Körper durch die Gezeitenkräfte zerreißen würde. Hunderte Meter große Moonlets, von denen bislang über 150 entdeckt worden sind, sind demnach ein indirekter Beweis für die Einschlagshypothese als Entstehungsprozess der Ringe. In Folge eines solchen Impakts bleiben die Ringe als Trümmerfeld zurück. Die größten Bruchstücke haben ungefähr die Masse des Einschlagprojektils. Prominente Beispiele sind die Ringmonde Pan (30 Kilometer) und Daphnis (sieben Kilometer, s. Abbildung) im äußeren Ring Saturns.
Neben dieser Strukturvielfalt fungieren planetare Ringe quasi als natürliche „Laboratorien“ für eine ganze Klasse kosmischer Scheiben unterschiedlichster Größe: von den riesigen Galaxienscheiben bis hin zu Wachstumsscheiben um junge Sterne – den „Kinderstuben“ von Planeten. Während ihrer Entwicklung in einer solchen präplanetaren Scheibe sollten Planeten-Embryos ähnliche Strukturen verursachen wie die Moonlets in den Ringen Saturns. Diese Überlegung eröffnete spannende Möglichkeiten, mittels moderner, verbesserter Teleskope den Planeten „beim Wachsen“'' zuzuschauen. So können die Forschungen an planetaren Ringen zukünftig zum tieferen Verständnis der Entstehung von Planeten – und damit unserer eigenen Herkunft – beitragen.
Der Autor ist Professor am Institut für Physik und Astronomie Universität Potsdam.
Frank Spahn
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: