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Sport: „Bewegen uns auf einem schmalen Grat“

Trainer Bernd Schröder über Turbine Potsdams Meistertitel und das anstehende UEFA-Cup-Finale

Stand:

Frauenfußball-Bundesligist 1. FFC Turbine Potsdam steht kurz vorm Zenit: Am Mittwoch machten die Kickerinnen mit ihrem 3:1-Sieg beim Hamburger SV zum zweitenmal nach 2004 das Double – also DFB-Pokalsieg und Deutscher Meistertitel – perfekt (PNN berichteten), am morgigen Sonnabend kann nun im UEFA- Cup-Final-Hinspiel gegen den 1. FFC Frankfurt (16 Uhr, Karl-Liebknecht-Stadion) der Grundstein für das Triple – Meister, Pokalgewinner und Europacup-Sieger – gelegt werden. Für Bernd Schröder (63), seit 1971 Trainer des jetzigen Europacup-Verteidigers Turbine Potsdam, wäre dies der größte Erfolg.

Glückwunsch zum zweiten Deutschen Meistertitel, Herr Schröder. Wie ordnen Sie den in Potsdams zahlreiche Erfolge der vergangenen drei Jahre ein?

Ich bewerte ihn ähnlich hoch wie unseren ersten Titel. Der war natürlich besonders schön, weil es unser erster war, den wir noch dazu in einem echten Endspiel erkämpften. Diesmal haben wir unseren Erfolg vorzeitig perfekt gemacht, aber vor dieser Saison hatte uns bei der Umfrage unter den Bundesliga-Trainern eigentlich niemand den Meistertitel zugetraut. Auch wir waren vorher skeptisch, zumal die Tabelle durch viele Nachholspiele lange ein schiefes Bild hatte und wir nicht sicher sein konnten, wirklich ganz oben zu stehen. Deshalb schätze ich den jetzigen Erfolg ebenfalls sehr hoch ein.

Wie intensiv haben Sie den Meistertitel auf der Heimfahrt von Hamburg gefeiert?

Wir hatten für jede Spielerin eine kleine Flasche Sekt mit, außerdem hat unser Hauptsponsor sechs Flaschen Champagner spendiert. Aber das Feiern hielt sich im Rahmen, weil alle wussten, dass am Sonnabend unser nächstes schweres Spiel wartet. Wir haben mit unseren Fans noch in Hamburg angestoßen und sind dann ohne Zwischenrast heimgefahren. Es ging im Bus ziemlich ruhig und gesittet zu. Nach der Anspannung davor hat jeder erstmal für sich unseren Erfolg genossen.

Wird Potsdam in den beiden letzten Bundesligaspielen nun die Beine hoch nehmen?

Nein. Wir sind unseren Fans und dem Frauenfußball generell schuldig, dass wir bis zuletzt versuchen, mit guten Leistungen unbezwungen zu bleiben. Zumal wir während des letzten Heimspiels am 5. Juni gegen den FC Bayern ja auch den Meisterpokal überreicht bekommen.

Turbine hat derzeit ein Verhältnis von 111 zu 10 Toren – wie viele sollen bis Saisonschluss denn noch geschossen werden?

Mit Bad Neuenahr und München haben wir noch zwei Gegner, gegen die wir sicher nicht weitere zehn, zwölf Tore machen werden. Wenn wir möglichst ohne weiteren Gegentreffer bleiben und am Ende auf 115 oder 116 Tore kommen könnten, wäre das eine Super-Leistung. Nämlich die, die meisten Tore geschossen und die wenigsten kassiert zu haben.

Worauf führen Sie den in dieser Saison zu beobachtenden Qualitätssprung Ihres Bundesliga-Teams vor allem zurück?

Dank unserer mittlerweile vielen internationalen Begegnungen sind zahlreiche unserer Spielerinnen inzwischen cleverer im Ausnutzen der Chancen. Unsere ganze Mannschaft ist mit den Europacup-Spielen gewachsen. Auch daran, dass wir nach unserer Heimniederlage im UEFA-Cup-Halbfinale gegen Stockholm im Rückspiel doch noch den Kopf aus der Schlinge gezogen haben. Damit wuchs das Selbstvertrauen, selbst in weniger guten Situationen ein Spiel zu entscheiden. Wir haben auch in weniger schönen Spielen Tore gemacht, die wir sonst vielleicht nicht erzielt hätten.

Mit dem Meistertitel hat Turbine das Ticket für die nächste UEFA- Cup-Saison schon in der Tasche – ist das ein Vor- oder ein Nachteil für das jetzige Final-Hinspiel?

Es ist ein ganz schmaler Grat, auf dem wir uns nun bewegen. Zum einen sehen wir jetzt die große Chance zum Triple, was uns anspornt. Zum anderen ist es natürlich beruhigend schon zu wissen, dass wir auch in der nächsten Saison international dabei sein werden. Durch dieses Hochgefühl besteht die Gefahr, die nötige Spannkraft zu verlieren.

Wie sieht es in Ihrer Mannschaft personell für das Spiel am Sonnabend aus?

Nadine Angerer hat in Hamburg wegen einer Angina gefehlt, Inken Becher wegen einer Patellasehnen- Entzündung, und Ariane Hingst spielte mit nur 30 Prozent Leistung; ihre Verletzung ist immer noch nicht überstanden. Wir müssen sehen, ob und wie wir diese drei wichtigen Stammspielerinnen bis Sonnabend wieder fit bekommen.

Wie sehen Sie Potsdams Chancen auf einen Sieg im vierten Duell dieses Jahres gegen den FFC Frankfurt?

Unsere Spielerinnen wissen, worum es geht, und natürlich haben wir die Chance, auch diesmal zu gewinnen. Aber niemand sollte auf die Idee kommen, dass das Spiel am Sonnabend ein Selbstläufer wird. Im Gegenteil: Frankfurt will die Gunst der Stunde nutzen und endlich gegen uns gewinnen.

Wie viele Tore wird Potsdam vorlegen müssen, um nicht im Rückspiel eine Woche später in Frankfurt noch böse überrascht zu werden?

Sollten wir ohne Gegentor bleiben, wäre schon ein knapper Sieg für uns eine gute Ausgangsposition. Die beiden letzten Spiele gegen Frankfurt haben wir ohne Gegentor überstanden, was gegen den bisherigen Meister schon eine Riesenleistung war. Ich persönlich glaube aber nicht, dass Frankfurt noch einmal solche Riesenchancen wie zuletzt auslassen wird. Allerdings steht unser Gegner mächtig unter Druck, für ihn geht es nun um alles. Da Duisburg in der Bundesliga vor ihm Zweiter ist, ist der UEFA-Cup-Sieg so gut wie seine einzige Chance, im nächsten Jahr wieder international dabei zu sein, wenn es in der Bundesliga-Tabelle bei dieser Konstellation bleibt. Wobei die Frankfurter Spielerinnen angesichts ihrer individuellen Klasse mit diesem Druck sicher zurechtkommen werden.

Haben Sie eigentlich Wetten zu laufen, dass Potsdam das Triple schafft?

Nein. Das Triple ist ein großes Ziel, aber ich werde mich immer davor hüten, es zu fordern. Es geht darum, jetzt im UEFA- Cup unser Gesicht zu wahren und zu zeigen, dass wir eine Spitzenmannschaft sind.

Was machen Sie, wenn Sie mit Turbine wirklich alle drei Titel gewinnen? Werden Sie dann auf dem Gipfel des Ruhms Ihr Amt in andere Hände legen?

(lacht) Es gibt ständig Leute, die mir diese Frage stellen. Aber im Ernst: Um eine solche Aussage zu treffen, benötigen wir in unserem Verein noch einige Änderungen vor allem organisatorischer Natur. Wir müssen uns als Verein beispielsweise strukturmäßig noch stabiler aufstellen und trainingsmethodisch auch in die unteren Bereiche mehr investieren als bisher.

Das Interview führte Michael Meyer

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