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HFF-Studenten zeigen in der Ausstellung „Land-Frauen-Welten“ Lebensskizzen aus Brandenburg
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Der Titel der Ausstellung täuscht. „Land-Frauen-Welten“ haben Studierende der Potsdamer Filmhochschule (HFF) ihre multimediale Erkundung genannt. Man denkt an den Deutschen Landfrauenverband, fragt nach historische Begebenheiten, vermutet Organisationsstrukturen. Gemeint sind von den Studierenden aber ganz einfach nur Frauen vom Land, Frauen aus der Oderregion und dem Havelland. Mit Fotos, Videos, Installationen und Texten haben sie sich auf die Suche gemacht, nach den heutigen Lebensbedingungen dieser „Landfrauen“.
Kommt man in den Ausstellungsraum im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, sucht man sie erst einmal, die Frauen. Auf einer breiten Leinwand führt eine Panoramafahrt durch Dörfer, das extreme Format spricht von Leere und Weitläufigkeit. Auf einem Tisch stehen Gläser mit eingelegten Gurken und Marmelade, liegen Tüten mit Gewürzen, dazwischen Rezepte für Obstkuchen und Pfeffernüsse. Darauf wird ein Videofilm projiziert, Männer in Trachten, Schnäpse werden getrunken. An den Wänden Bilder von Häusern, auf einem verwackelt wirkenden Bild ein Haus, das aus 100 Durchschnittshäusern des Dorfes Wagenitz zu einem arithmetischen Mittel zusammengerechnet wurde. Ein Prototyp sozusagen. Weiter hinten große Bilder von einer untergehenden Sonne, auf einer Leinwand picken Hühner, dann Sonnenblumen.
Das Thema Frau ist hier erst einmal mit ländlicher Häuslichkeit verbunden, fast schon klischeehaft. Doch es ist nur ein Spiel mit diesem Stereotyp, das die Studenten bei genauerem Hinsehen konsequent durchbrechen. Mauerfall und Wiedervereinigung steht auf einer der Kabinen, in denen man Interviews sehen und hören kann. Was ist eine Bäuerin, was eine „Landfrau“, was war das Besondere an den „Landfrauen“ der DDR-Zeit. Klar, von ihren Arbeitsverhältnisse erzählen die Frauen. Der Bogen spannt sich schnell von den vergangenen Tagen der LPGs über die Wirren der Wendezeit bis hin zu Vereinigungen wie der ÖkoLea, der ökologischen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Klosterdorf.
In einem Video-Interview erzählt eine der Frauen, Geschäftsführerin eines Landwirtschaftsbetriebes, wie sie die LPG abwickeln musste. „Die Besten sind sofort rausgeflogen“, erinnert sie sich. Weil die noch die Chance hatten, woanders unterzukommen. „Die Älteren haben wir behalten, bis die letzte von ihnen bei der Raiffeisenbank untergekommen war, dann habe ich zugemacht“, sagt sie.
Die Porträts an den Wänden zeigen Frauen im mittleren Alter. Sie sehen nicht unbedingt nach Land aus, sie könnten genauso gut in einer Mietskaserne in der Großstadt leben, außer vielleicht der Großmutter mit der Kittelschürze. Man muss sich bis ganz hinten unter das Dach des Kutschstalls vorarbeiten, bis man auf die Bilder trifft, die man eigentlich erwartet hatte. Bilder von Bäuerinnen bei der Arbeit auf dem Kornfeld, Bauernhöfe und Kühe. Schwarzweißbilder aus der Vergangenheit, offensichtlich noch aus der Zeit vor dem Krieg. Schnell wird klar, dass „Land“ heute in den betrachteten Regionen etwas anderes bedeutet. Die Studierenden zeigen genau diesen Wandel.
Da treffen wir auf die Tochter des Wirtes einer Dorfkneipe. Sie spielt mit ihrem Hund auf einer Wiese, zeigt Tattoo und Bauchnabelpiercing. Von ihr hängen Aktfotos in der Ausstellung, die ihr Freund gemacht hat. Und nicht nur dort, sie hängen auch in der Kneipe des Vaters. „Wir sind da nicht so verklemmt“, sagt sie der Filmstudentin, die selbst zweifelt, so weit gehen zu können. Die Studierenden schaffen einen Kontrast zwischen Großstadt und Land, der ganz offensichtlich für sie noch größer ist, als für die „Landfrauen“ selbst. Ein interessantes Spiel mit den Blickwinkeln.
Ab heute, bis 20. Mai im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Kutschstall, Kutschstall, Am Neuen Markt, Di-Fr 10-17 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr.
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