Landeshauptstadt: Bischof Huber als „Massenmörder“ bezeichnet
Amtsgericht verurteilte „Gottesdienststörer von Berlin“ wegen Beleidigung zu 400 Euro Geldstrafe
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Amtsgericht verurteilte „Gottesdienststörer von Berlin“ wegen Beleidigung zu 400 Euro Geldstrafe Von Gabriele Hohenstein Andreas R. – als Berliner Gottesdienststörer inzwischen zu zweifelhafter Popularität gelangt – musste sich gestern wegen Beleidigung sowie Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor dem Amtsgericht verantworten. Der Sozialhilfe-Empfänger soll am 5. Oktober 2003 einen Erntedankgottesdienst der evangelischen Kirche in Groß Glienicke, der vom ZDF live übertragen werden sollte, als Forum zur Verbreitung seines Gedankengutes missbraucht haben. Laut Anklage bezeichnete der in der Vergangenheit u. a. wegen schweren Raubes zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe Verurteilte an diesem Vormittag den Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, sowie den Theologen Markus Bräuer als Massenmörder. Darüber hinaus soll er den Hitlergruß entboten haben. Andreas R. (44) ließ nichts unversucht, auch Staatsanwaltschaft, Gericht und die Zuhörer von seinen Thesen zu überzeugen. „160 000 Kinder werden jährlich in Berlin und Brandenburg abgetrieben. Die evangelische Kirche unterstützt das mit ihren Schwangerschafts-Konfliktberatungsstellen. Für mich ist das Massenmord“, betonte der bärtige Mann auf der Anklagebank. „An einen Schein zur Abtreibung kommt man schneller als an Kopfschmerztabletten. Die Kirchenfürsten müssen sich solche Äußerungen gefallen lassen, weil sie in Wahrheit einen großen Haufen auf die Bibel scheißen.“ Das Zeigen des Hitlergrußes an jenem Vormittag sei allerdings sarkastisch gemeint gewesen, quasi als Kritik gegen das übereifrige Agieren der Polizei, so Andreas R. „Massenmörder ist eine überzogene Äußerung und im Kontext mit der planmäßigen Vernichtung der Juden im Dritten Reich zu sehen“, warf Richterin Judith Janik ein, rief dann den Pfarrer und Öffentlichkeitsbeauftragten der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Markus Bräuer (36), in den Zeugenstand. „Nachdem ich Herrn R. und seinen Mitstörer A. erkannte, habe ich ihnen Hausverbot ausgesprochen“, erinnerte sich der Theologe. Doch Andreas R. habe Flugblättchen, die seine Ansicht stützen, durch die Kirche geworfen und die Besucher des Gottesdienstes lautstark zum Bußetun aufgefordert. Der Polizeibeamte Ingo R. (43) nahm die Personalien der Störer auf, als der Angeklagte „Massenmörder“ in Richtung des Bischofs sowie des Theologen rief. „Er sagte dann, diese Abtreibungsgeschichte erinnere ihn an die Praktiken im Dritten Reich. In diesem Zusammenhang hob er die rechte Hand zum Hitlergruß“, berichtete der Zeuge. „Die kirchlichen Beratungsstellen sind in das gesetzlich vorgegebene Verfahren zum Schwangerschaftsabbruch eingebunden“, stellte die Vorsitzende klar. Mit seiner Äußerung habe der Angeklagte die Meinungsäußerungsfreiheit überschritten. Ein Verwenden von Nazi-Symbolen sei ihm nicht nachzuweisen. Das Urteil: 400 Euro Geldstrafe.
Gabriele Hohenstein
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