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„Kleine Neugierde“ in Potsdam wird renoviert: Blaues Wunder

Antik oder gefälscht? Bei der Restaurierung der „Kleinen Neugierde“ ist auch der Chemiker gefragt.

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Der Laser lügt nicht: Ein paar Sekunden nur richtet Jens Bartoll den leuchtend grünen Lichtstrahl auf die unter einem Glasplättchen platzierten blauen Farbkörnchen. „Wir schießen mit dem Laser auf die Probe, dabei werden die Moleküle zu Schwingungen angeregt“, erklärt der Chemiker. Raman-Spektroskopie heißt dieses Verfahren, und Jens Bartoll kann das dafür erforderliche Raman-Spektroskop seit einem halben Jahr zur Ausstattung im Naturwissenschaftlichen Labor der Schlösserstiftung zählen. Etwa 100 000 Euro kosten solche Geräte, sagt er. Auf Mausklick zeigt der Computerbildschirm eine Zickzack-Kurve, aus der Bartoll die Eigenschaften des gestreuten Lichtes erkennt. Der Chemiker öffnet eine Datenbank, die die Kurve mit anderen abgleicht und so eindeutig bestimmt, mit welchem Material man es zu tun hat: Bei den Farbkörnchen handelt es sich um das sogenannte Ägyptisch Blau.

Eine positive Überraschung für die Schlösserstiftung: Denn es ist für die Experten der Beweis dafür, dass es sich bei den Wandmalerei-Fragmenten im Aussichtspavillon „Kleine Neugierde“ im Schlossgarten Glienicke, von wo die Farbkörnchen stammen, wirklich um antike Arbeiten handelt. Als Prinz Carl von Preußen die Stücke im 19. Jahrhundert irgendwo in Italien erwarb, florierte nämlich nicht nur der Antikenhandel, sondern auch das Fälschergewerbe – Schlösserstiftungschef Hartmut Dorgerloh vergleicht die Situation mit der Berliner Mauer nach der Wende: „Jeder wollte ein Stück mitnehmen.“

Aber die Blau-Analyse gibt den entscheidenden Hinweis auf die Echtheit: Denn das von den Ägyptern erfundene und aus Kalk, Quarzsand und Kupfermineralen hergestellte Farbpigment war zu Carls Zeiten nicht mehr bekannt – die letzten Nachweise seiner Verwendung gibt es aus dem 9. Jahrhundert, also einem Jahrtausend vorher, erklärt Chemiker Bartoll. Erst in allerjüngster Zeit – seit etwa 20 Jahren – könnten die Pigmente wieder synthetisch hergestellt werden.

Die Analyse in Bartolls Labor in den Räumen des Damenflügels im Neuen Palais’ gehört zu den umfassenden Restaurierungs- und Sanierungsarbeiten an der „Kleinen Neugierde“. Seit 2013 dauern die Arbeiten an, finanziert werden sie von der Cornelsen-Kulturstiftung. Über die genaue Summe wahrt Stifterin Ruth Cornelsen Schweigen, die Stiftung investiert aber nach eigenen Angaben jedes Jahr 750 000 Euro in Projekte in Berlin und Brandenburg. Verlegerin Cornelsen hatte sich bei der Schlösserstiftung unter anderem schon bei den Restaurierungsarbeiten in Paretz und Caputh finanziell engagiert, sie ermöglichte auch die Restaurierung des Lesekabinetts Friedrichs II. im Neuen Palais.

Gebaut wurde die „Kleine Neugierde“ 1796 vermutlich von Ephraim Wolfgang Glasewaldt. Sie diente als Teepavillon mit Aussicht auf den Verkehr auf der Chaussee nach Potsdam – der heutigen Königsstraße. Im Laufe der Jahre veränderte sie oft ihr Aussehen: Unter Prinz Carl von Preußen und seiner Frau, Prinzessin Marie von Sachsen-Weimar-Eisenach, wurde das Haus 1824/25 zunächst von Schinkel in strengerem Stil umgebaut. Weitere gut 20 Jahre später wurde eine florentinische Renaissance-Arkade als Fassade eingefügt. Die Vorhalle wurde seit Mitte des 19. Jahrhunderts mit einer Sammlung antiker Inschriftentafeln, Mosaiken, Wandmalereifragmente und Reliefs zu einer Art Lapidarium – einer Steinsammlung – umgestaltet. Damit passt sie zum Ensemble, wo immer wieder antike Fragmente auftauchen: Insgesamt 423 Fragmente wurden in den 1960er-Jahren an Schlossfassade und den umliegenden Gebäuden gezählt.

Die „Kleine Neugierde“ leidet besonders durch Wasser und Feuchtigkeit, erklärt Stefan Gehlen, der Baudenkmalpfleger der Schlösserstiftung. Das Haus habe weder Regen- noch Fallrinnen, die schattige Lage in einer Senke am tiefsten Punkt im Gelände tut ihr Übriges. Problematisch ist das unter anderem, weil es dem Mörtel, der die antiken Fragmente in der Wand hält, zusetzt. Einige Marmorfragmente aus der Außenmauer werden momentan einem Bad in Acrylharz unterzogen, damit sie feuchtigkeitsbeständiger werden, erklärt die Stiftungsrestauratorin Ute Joksch. Das Renaissanceportal hat seine Schönheitskur schon hinter sich, der Grauschleier wurde mit einem Mikroheißwasserstrahl und Bürstchen entfernt. „Der weiße Carrara-Marmor leuchtet wieder ganz wunderbar im Kontrast zu den Porphyrsäulen“, findet Joksch. Auch die Holzkassettendecke wurde von einer grauen Farbschicht aus den 1960er-Jahren befreit und lässt nun wieder die ursprüngliche Gestaltung mit Blau- und Gelbtönen erahnen.

Auch Äste der nahegelegenen Bäume mussten fallen – um wieder Sonne an den Bau zu lassen. Zudem ist die „Kleine Neugierde“ trockengelegt worden. Das Gelände rundherum soll noch „verzogen“ werden, wie Baudenkmalpfleger Gehlen es ausdrückt. Gemeint sind Erdarbeiten, um das Gefälle zur „Neugierde“ hin abzuschwächen. Man sei auch mit dem Straßenbauamt im Gespräch, damit bei der anstehenden Sanierung der Königsstraße auch dort der tiefste Punkt um einige für die „Neugierde“ entscheidende Meter verschoben werden kann, sagt Gehlen.

Für Schlossbesucher soll die „Kleine Neugierde“ erst ab dem kommenden Sommer wieder zugänglich sein – geöffnet ist sie dann nur im Rahmen von Führungen.

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