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Foto-Ausstellung: Altern in Potsdam und der Ukraine: Blick über den Gartenzaun

Oxana Ronis aus der Ukraine lebt seit langem in Potsdam. Sie fotografiert und zeigt jetzt eine Ausstellung zum Thema „Altern in beiden Ländern“.

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Wenn der Vater seine Fotos entwickelte, durften Oxana und ihre Schwester manchmal mit in die Dunkelkammer. Die Dunkelkammer war im Badezimmer eingerichtet, und nach dem Entwickeln, wenn die Bilder sichtbar geworden waren, schwammen die Abzüge in der Badewanne. „Das war immer sehr aufregend“, sagt Oxana Ronis.

Heute lebt die 39-Jährige weit weg von ihrer Heimat in der Ukraine. Aus dem Dorf, etwa 150 Kilometer nordwestlich von Donezk, kamen sie und ihre Familie vor fast 15 Jahren als jüdische Zuwanderer nach Potsdam. Hier erwischte sie dann auch das Fotovirus. „Es ist wie eine Krankheit“, sagt sie. Mehrmals schon hat sie ihre Bilder in Potsdam öffentlich gezeigt. Am gestrigen Montag wurde wieder eine Ausstellung eröffnet. Im Flur vor dem Oberbürgermeisterbüro im Stadthaus hängen etwa 20 Fotos. „Zeitlose Lebensfreude“, hat sie ihre kleine Auswahl genannt.

Die meisten Aufnahmen entstanden bei ihrem letzten Besuch 2014 im Heimatdorf Nowaja Datscha. Wegen des Bürgerkriegs verzichtete sie im vergangenen Jahr auf ihre regelmäßige Sommerreise zu den Eltern. Und schaut deshalb vielleicht auch etwas nachdenklich auf die Bilder: Porträts und Momentaufnahmen, die ihre Familie und Nachbarn zeigen, durchweg alte Menschen, mitten in ihrem dörflichen Alltag.

Mit dem Abstand einer ausgewanderten Tochter hat sie das gesehen, was sie als Kind ständig erlebt hat. Zum Beispiel die Gartenarbeit. Einen Garten hat auf dem Land jeder, das Klima lässt reichlich Obst und Gemüse wachsen. „Im Winter können es minus 25 Grad sein, im Sommer ist es sehr heiß, manchmal bis zu 50 Grad. Da ist man praktisch ständig am Gießen.“ Und ob man als Kind Gartenarbeit machen will, das wird nicht gefragt. „Das ist selbstverständlich.“

Während die Frauen im Garten schuften, arbeiten die Männer auf dem Feld, oft mit selbst zusammengebastelten Maschinen. Oxana Ronis hat die Männer im Dorf auf seltsamen Traktor-Gespannen fotografiert und Frauen in ihren üppigen Gärten, beim Kontrollgang, beim Ernten, beim Griff nach der reifen Birne. Oder beim Ausruhen auf der Holzbank vor dem Haus. Die Hände, die jahrzehntelang zupacken mussten, verrunzelt im Schoß. „Das ist ein Unterschied zu den Frauen hier in Deutschland. Man sieht ihnen an, dass sie alt sind. Dass sie es schwer hatten. Aber sie geben sich auch so, tragen immer Kopftuch, immer lange Kleider.“

Es fasziniert sie, dass sich hier in Deutschland Frauen auch im Alter schick machen, sich sportlich kleiden, auf sich achten. Neben die Porträts aus der Ukraine hat sie deshalb ein paar aus Potsdam gehängt. Zum Beispiel eine 80-Jährige entspannt auf der modernen Couch. „Das Alter sieht man ihr nicht an“, sagt Ronis begeistert. „Zeitlose Lebensfreude“, das kann man so oder so sehen. Die Bilder legen jedenfalls nahe, dass es nicht davon abhängt, ob jemand gerade beim Friseur war oder Kopftuch trägt.

Oxana Ronis will aber nichts romantisieren. Das Leben in der Ukraine ist hart. Und seitdem sie hier in Potsdam ist, spürt sie, was ihr dort manchmal fehlt: ein wenig Freundlichkeit. Die Menschen seien oft verbittert, frustriert, misstrauisch. Und dann unwirsch gegenüber Fremden. In Deutschland seien alle so freundlich und offen, sie mag das.

Das erste Jahr in Potsdam sei trotzdem furchtbar für sie gewesen, sie hatte nur Heimweh. Dann aber begann sie wieder zu arbeiten, konnte bei der Pro Potsdam eine Lehre zur Bürokauffrau machen und arbeitet seitdem für den Verein Soziale Stadt e.V. im Projektladen in Drewitz und im Friedrich-Reinsch-Haus am Schlaatz.

Längst sind die beiden Töchter mehr deutsch als ukrainisch. Und sie bald auch. Seit 2013 hat sie die deutsche Staatsbürgerschaft, die Sprache beherrscht sie nahezu perfekt, sodass sie oft als Übersetzerin herangezogen wird. Mehrere Projekte zur Integration von ausländischen Bürgern und zum besseren Miteinander der Nachbarn hat sie maßgeblich mitorganisiert, zweimal, 2009 und 2014, gab es dafür den Integrationspreis der Stadt Potsdam. „Es gibt in Potsdam so viele tolle Angebote. Das schwierigste ist, die Menschen aus ihrer Wohnung zu holen“, sagt Oxana Ronis.

Sie selbst entdeckte in ihrer neuen Heimat das Hobby Fotografieren. Ein bisschen hatte sie schon immer fotografiert, am liebsten Nahaufnahmen in der Natur gemacht. „Aber die waren immer unscharf und ich wusste nicht warum“, sagt sie. Dann ging sie zum Fotoclub im Reinsch-Haus. Und endlich erklärte ihr jemand die komplizierte, moderne Fototechnik.

Ein weiteres Hobby ist das Gärtnern. Nicht ganz so umfänglich wie die Frauen in ihrer alten Heimat das tun, dazu fehlt ihr der Garten. Aber auf ihrem Balkon wachse alles, sagt sie, Gurken, Tomaten, riesige, prächtige Tulpen mit Blüten – sie macht eine Geste – so groß wie Kindsköpfchen.

Von ihrer Herkunft ist auch die Liebe zum russischen Essen geblieben. Mit den Landsmänninnen, die sich regelmäßig im Reinsch-Haus treffen, hat sie gestern ein kleines russisches Büfett vorbereitet. „Ich könnte noch viel besser deutsch sprechen, wenn wir hier nicht immer russisch schwatzen würden“, sagt sie lachend, als man sie in ihrer Muttersprache zum Pelmeni-Machen in die Küche ruft.

Die Ausstellung ist bis zum 25. Februar im Stadthaus zu sehen.

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