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Es war einmal  Vor acht Jahren war PNN-Mitarbeiter Kay Grimmer (l.) Kandidat bei Wer wird Millionär. Die Lieblings-Quizshow der Deutschen mit dem Potsdamer Moderator Günther Jauch feiert in diesem Jahr zehnjähriges Jubiläum.

© Archiv/RTL

Von Kay Grimmer: Bloß nicht blamieren!

Seit zehn Jahren begeistert die Quizshow „Wer wird Millionär“ – PNN-Mitarbeiter Kay Grimmer war 2001 dabei

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Es ist der erste Gedanke, als ich Günther Jauch gegenübersitze: Worauf habe ich mich da eigentlich eingelassen? Das Licht zuckt, die berühmte Titelmelodie mit dem dramatisch-effektvollen Schluss verklingt, mein 15-Fragen-Ritt soll beginnen. Und ich habe im Grunde nur einen Wunsch: Nein, nicht viel Geld gewinnen. Ich will mich bloß nicht blamieren.

Es war vor acht Jahren, 2001, als mich im Mai der Anruf aus Köln erreichte: „Herzlichen Glückwunsch, Sie sind Kandidat bei ,Wer wird Millionär’.“ Am 15. Mai, ein Dienstag, brach ich, 22-jährig, frühmorgens von meiner damaligen Studienheimat Leipzig zu Günther Jauch nach Köln auf. Nein, ich hatte weder ein Lexikon im Gepäck noch ein Nachschlagewerk in der Nacht zuvor unter meinem Kopfkissen. Was ich bisher nicht gelernt hatte, werde ich mir auch nicht mehr draufschaffen. Mehr Zeit zwischen dem Anruf und der Aufzeichnung war nicht. Und die war auch so stressig genug. Telefonjoker wollten gefunden, eine Begleitung ausgesucht werden. Schließlich musste auch die Kleidung passen. Nichts Kleingemustertes, nichts Grelles, stand in der Bekleidungsvorschrift, die mir RTL damals auf 19 Seiten WWM-Regelkunde zugefaxt hatte. So präpariert fuhr ich der Rhein-Metropole entgegen. Was man während dieser Zeit denkt? Ich weiß es nicht mehr. Wahrscheinlich habe ich gedanklich schon durchgespielt, was passiert, wenn ich es auf „den Stuhl“ schaffe. Gleichzeitig versucht man sich aber auch immer wieder selbst herunterzuholen. Man ist einer von zehn Kandidaten, höchstens drei – wenn es gut läuft – schaffen es überhaupt in die Mitte des Studiorunds.

Die Zeit in Köln-Hürth ist gut ausgefüllt mit Briefings und Warterei. Meist wird bei „Wer wird Millionär“ nicht nur eine Sendung am Tag aufgezeichnet, sondern zwei oder drei. Wer das Pech hat, sitzt also stundenlang herum. So wie ich. Der Beruhigung ist das natürlich nicht gerade zuträglich. Es war gegen halb zehn am Abend, als unsere Aufzeichnung begann. Das Studio ist klein und vollgepfropft, als Kandidat schlängelt man sich durch Kulissenteile und Technik zu seinem Platz. An einer Studiowand wird das Fernsehbild übertragen, dass aufgezeichnet wird. Es gibt erhebenderes als sich selbst überlebensgroß und mit verunsichertem Lächeln auf den Lippen an einer Leinwand zu sehen.

Doch auch die anderen neun Kandidaten kämpfen mit sich und den neuen Erfahrungen als Fernseh-Kandidat. Anja aus Lauenburg ist mir noch in Erinnerung geblieben. Sie lernte ich bereits am Kölner Bahnhof kennen, als wir auf weitere Kandidaten warteten. Noch vor der gemeinsamen Aufzeichnung drückten wir uns beiden die Daumen, dass wir es zu Günther Jauch auf den Stuhl schaffen. Und es hat geklappt. Schon bei der ersten Auswahlfrage war sie die Schnellste. Auch bei anderen Kandidaten wird mitgefiebert, das ist keine falsche Ehrlichkeit. Denn man fühlt mit, ahnt Aufregung und Stress des anderen. Doch leider schied Anja relativ früh aus, nur einen vierstelligen D-Mark-Betrag nahm sie aus ihrem Spiel mit. Wieder eine neue Auswahlfrage: Ordnen Sie die Tennisspieler aufsteigend nach dem Erfolg ihrer Grand-Slam-Siege! Toll, denke ich, Sport gehört nicht gerade zu meinen Stärken. Doch rudimentär wusste ich schon, dass Steffi Graf und Boris Becker weit mehr Erfolge feierten als Michael Stich oder Anke Huber. Nachdenken ist bei der Auswahlrunde kaum drin. Entweder man weiß es oder rät drauflos. Dass ich als bekennender Tennismuffel ausgerechnet bei der Frage der Schnellste war – ich glaube es erst, als mein Name auf dem Bildschirm grün aufblinkt.

Nein, man denkt nicht an die Million. Man denkt nur daran, möglichst keine zu blöde Figur zu machen neben Günther Jauch, dem Zampano aller Fragespiele. Und hofft insgeheim, dass er einem wohlgesonnen ist. Und man hat Angst vor den ersten Fragen, die so lächerlich einfach erscheinen, dass man sie so schnell verhauen kann. Natürlich passiert mir das auch gleich. „Was ist ein Zeichen der Abschreckung?“ Ich weiß die Antwort, sage aber etwas völlig anderes: „Zähne klappern.“ Günther Jauch muss mir als seinen Potsdam-Genossen gleich zur Hilfe eilen. Und er macht es. Natürlich ist es „Nase rümpfen“. Dank des Quizmasters Hilfe überstehe ich die erste Hürde. Und dann läuft es. Je länger ich spiele, desto mehr vergesse ich die Kameras, die Öffentlichkeit. Ich hoffe nur, dass auch die nächste Frage für mich lösbar ist. Geldsummen spielen bis zur zweiten Absicherungsstufe keine Rolle bei mir. Erst als Jauch sagt, dass die 32000 Mark sicher sind, wird mir klar, dass mir dieses Geld gehört. Damit habe ich mein selbstgestecktes Ziel erreicht. Und ich habe noch alle drei Joker – eine gute Ausgangsposition für die letzten fünf Fragen. Doch Frage Nummer elf ist der Anfang vom Ende. „Welchen Film inszeniert David Lean nicht?“ Schon der Name sagt mir rein gar nichts. Die folgenden vier Filmtitel zwar schon. Aber ich habe keinen blassen Schimmer, ob nun „Lawrence von Arabien“, „Die Reise nach Indien“, „Vom Winde verweht“ oder die „Brücke am Kwai“ von ihm ist. Es ist Jokerzeit. Um es kurz zu machen: Die Frage elf wird zum Joker-Kahlschlag. Alle drei benötige ich, um endlich die richtige Antwort zu finden: „Vom Winde verweht“. Ab jetzt befinde ich mich in der selbst gewählten Defensive. Doch was folgt, ist weitere Ratlosigkeit, als Frage zwölf erscheint. Was ist Senga Sengana? Die Erdbeerpflanze – natürlich werde ich die richtige Antwort nie wieder vergessen, auch dank netter Zeitgenossen, die mich immer wieder daran erinnern – wird mein Abschied von Günther Jauch.

Die ersten Sekunden danach sind irreal. Dass ich gewonnen habe, realisiere ich auch dann nur teilweise, als ich nach meiner Kontoverbindung gefragt werde. Glückwünsche von Mitarbeitern und auch von Anja prasseln auf mich ein. Ich bin lediglich froh, diese völlig neue Erfahrung mit Anstand hinter mich gebracht zu haben. Blamiert habe ich mich nicht, glaube ich. Dafür hatte ich durchaus Spaß mit Günther Jauch als Gegenüber. Nein, er hat mich in keiner Sekunde verunsichert, das beteuere ich immer wieder. Trotzdem – eins weiß ich seit meinem Fernseh-Ausflug: Einmal Quizshow-Kandidat reicht fürs Leben.

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